TE Vfgh Erkenntnis 2004/6/30 B491/03

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Veröffentlicht am 30.06.2004
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs3
StGG Art12 / Versammlungsrecht
EMRK Art11 Abs2
VersammlungsG §6

Leitsatz

Keine Verletzung des Versammlungsrechts durch Untersagung einer Demonstration von Globalisierungsgegnern anlässlich des Kongresses des World Economic Forum (WEF) in Salzburg aufgrund der Annahme zu befürchtender Ausschreitungen

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Eingabe vom 17. Mai 2002 zeigten die nunmehrigen Beschwerdeführer der Bundespolizeidirektion Salzburg die für den 15. September 2002 ab 15.00 Uhr geplante Durchführung einer Demonstration (einschließlich einer Auftakt- und einer Abschlusskundgebung) in Salzburg an. Zweck der Versammlung sei es, in gewaltfreier und friedlicher Art und Weise die Öffentlichkeit auf die Auswirkungen der Globalisierung aufmerksam zu machen und dagegen zu protestieren. Weiterer Zweck sei es, gewaltfreien und friedlichen Protest gegen die Politik und die Intentionen des in diesen Tagen in Salzburg tagenden World Economic Forum (WEF) zu äußern. Es seien ca. 2000 Teilnehmer zu erwarten; zur Gewährleistung eines zügigen und reibungslosen Ablaufs der Versammlung werde ein Ordnerdienst von ca. 100 Personen organisiert.

Zu der - in der Anzeige konkret bekannt gegebenen - Demonstrationsroute wird Folgendes ausgeführt: Es werde darauf verzichtet, die Demonstration direkt am Kongresshaus oder am Hotel Sacher (dem Nächtigungs- und Aufenthaltsort der Teilnehmer der WEF-Tagung) vorbeizuführen. Die Zu- und Abfahrt der Tagungsteilnehmer sei daher über in der Anzeige näher bezeichnete Straßen gewährleistet. Die Demonstration werde sich einzig auf Höhe der Schwarzstraße auf einer Strecke von rund 200m in einer räumlichen Entfernung von rund 150m, getrennt durch mehrere Gebäude und den Mirabellgarten, am Kongresshaus vorbeibewegen.

1.2. Diese Versammlung wurde von der Bundespolizeidirektion Salzburg mit Bescheid vom 12. August 2002 gemäß §6 Versammlungsgesetz 1953 (im Folgenden: VersG) iVm. Art11 Abs2 EMRK untersagt. Begründend wird im Bescheid Folgendes ausgeführt:

"Sachliche Beurteilung:

In der Zeit von 15. September bis 17. September 2002 findet in Salzburg der Europäische Wirtschaftsgipfel/European Economic Summit 2002 statt.

Nach derzeitig vorliegenden Informationen wird im Jahre 2002 keine ähnlich gelagerte Veranstaltung im europäischen Raum stattfinden und somit könnte diese Veranstaltung gewaltbereiten Globalisierungsgegnern eine exzessive aggressionsfreudige Plattform bieten.

Nach hierortigen Erfahrungswerten ist auch davon auszugehen, dass aufgrund des hohen Gefährdungspotentials anlassbedingt auch die sog. 'Grenzkontrollen' wieder eingeführt werden.

Dementsprechend hoch ist die Gefährdungseinschätzung und das polizeiliche Kräftekalkül anzulegen.

Zu dieser Konferenz werden zahlreiche Staats- und Ministerpräsidenten, deren Delegationen und ca. 1000 weitere Teilnehmer aus dem Bereich der Wirtschaft erwartet. Bei vergangenen Wirtschaftstreffen (Seattle 1999, Washington 2000, Melbourne, Nizza 2000, Prag 2000, Davos 2001, Cancun 2001, Quebec 2001, Göteborg 2001, Genua 2001, Brüssel 2001 und New York 2002) kam es zu massiven gewalttätigen Angriffen und Ausschreitungen von Globalisierungsgegnern.

In Berichten der Austria Presseagentur sind u. a. folgende massiven Ausschreitungen dokumentiert:

Italien/Gipfel/G-8/Gipfel/Industrie/Protest/Hintergrund/Chronologie.

Die größten Auftritte der Globalisierungsgegner Utl.: Von Birmingham und Köln über Seattle und Göteborg bis nach Genua - Protestbewegung reicht rund um den Globus.

Genua (APA/dpa/AFP) - Internationale Politik- und Wirtschaftskonferenzen sind in den vergangenen Jahren zunehmend von Protesten der Anti-Globalisierungsbewegung begleit worden. Die von friedlichen Freihandelsgegnern organisierten Großdemonstrationen wurden mehrfach von Aktionen gewaltbereiter Minderheiten überschattet. Eine Chronologie der Aktionen der Protestbewegung und der jüngsten Demonstrationen:

15.-17.5.1998 in BIRMINGHAM (Großbritannien):

G-7-/G-8-Gipfel.

50.000 demonstrieren für die Entschuldung der armen Länder.

Organisator: 'Jubilee 2000', eine Koalition britischer Entwicklungshilfe- und Wohltätigkeitsgruppen.

4.6.1999 in KÖLN (Deutschland): EU- und Weltwirtschaftsgipfel.

40.000 Demonstranten folgen Aufrufen des linken 'Aktionsbündnis Köln '99' und christlicher Organisationen.

30.11.-3.12.1999 in SEATTLE (USA): Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) mit 50.000 Demonstranten aus Gewerkschaften, Umweltschutz- und Bürgerrechtsgruppen. Nach schweren Ausschreitungen wird der Ausnahmezustand über die Stadt verhängt. Zusammenstöße zwischen tausenden Demonstranten und der Polizei, der Gouverneur des Staates Washington rief den Notstand aus und verhängte nächtliche Ausgangssperren. Tränengas und Gummigeschoße werden eingesetzt, Hunderte Aktionisten festgenommen. Der Protest von Seattle gilt als Geburtsstunde der Anti-Globalisierungsbewegung. Die Bewegung nennt sich fortan auch 'Volk von Seattle'.

16.-18.4.2000 in WASHINGTON D.C. (USA): Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Bis zu 20.000 überwiegend friedliche Demonstranten kommen zusammen. Das Hauptquartier der Globalisierungsgegner wird mit der Begründung sanitärer Probleme geschlossen. Das Zentrum der US-Hauptstadt wird zu einer Festung. Hunderte Menschen werden festgenommen.

26./27.9.2000 in PRAG (Tschechische Republik): Die Jahrestagung von Weltbank und IWF begleiten rund 9.000 Demonstranten. Dahinter steht das Aktionsbündnis INPEG. Es gibt schwere Zusammenstöße am Rande der Proteste mit zahlreichen Festnahmen. Der Protestzug 'Global Action Express' wird an der österreichischen Grenze zu Tschechien festgehalten. Es gab 51 verletzte Polizisten.

7.-10.12.2000 in NIZZA (Frankreich): EU-Reformgipfel. Der zunächst friedliche Protest von 4.000 Demonstranten endet in einem Straßenkampf um das Kongresszentrum. Tränengasschwaden der Polizei dringen bis in die Lüftungskanäle des Tagungszentrums 'Acropolis'. In Vintimille an der französisch-italienischen Grenze wird ein Zug mit Demonstranten festgehalten. Im Zuge einer Straßenschlacht wurden 20 Polizisten verletzt, eine Bank wurde in Brand gesetzt und unzählige Fensterscheiben gingen zu Bruch.

25.-30.1.2001 in DAVOS (Schweiz): 31. Weltwirtschaftsforum

(WEF).

Mit massivem Polizeieinsatz wird verhindert, dass rund 1.300 Demonstranten den Konferenzort lahm legen. Parallel zum Davoser Weltwirtschaftsforum trifft sich das Volk von Seattle zum ersten Weltsozialforum im brasilianischen PORTO ALEGRE. 900 verschiedene Organisationen treten für eine 'Globalisierung der Hoffnung' ein. Ihr Slogan lautet 'Eine andere Welt ist möglich'.

15.-17.3.2001 in NEAPEL (Italien): Am Rande des Weltforums für Informationstechnologie gibt es gewaltsame Zusammenstöße zwischen Polizei und Globalisierungsgegnern. Nach Angaben der Polizei werden etwa 50 Polizisten und 70 Demonstranten verletzt. Das Verhalten der Sicherheitskräfte ruft amnesty international auf den Plan.

20.-22.4.2001 in QUEBEC (Kanada): Das Zentrum der kanadischen Stadt wird mit Betonblöcken und Maschendraht für den Amerika-Gipfel über eine panamerikanische Freihandelszone (FTAA) abgeriegelt. 25.000 Demonstranten sind zugegen. Als eine Gruppe versucht, dennoch in die verbotene Zone einzudringen, kommt es zu schweren Zusammenstößen.

15.-16.6.2001 in GÖTEBORG (Schweden): EU-Gipfel mit über 20.000 friedlichen Demonstranten. Doch Hunderte militante Aktivisten, darunter zahlreiche Deutsche, verwüsten das Stadtzentrum, wo die Staats- und Regierungschefs tagen. Erstmals setzt die Polizei scharfe Munition ein und verletzt drei Menschen teils schwer. Ein 19-jähriger Deutscher, der durch Schüsse am Bein verletzt wird, wird einen Monat später wegen der Krawalle zu sechs Monaten Haft verurteilt. Tausende friedliche Globalisierungsgegner werden kaum wahrgenommen.

25.6.2001 in BARCELONA (Spanien): Nach dem Ende einer friedlichen Kundgebung gegen eine Weltbank-Tagung in BARCELONA kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. 32 Menschen werden verletzt. Die Tagung selbst wird aus Furcht vor Gewalt abgesagt.

1.7.2001 in SALZBURG: Hunderte Demonstranten versuchen, zum Tagungsort des europäischen Wirtschaftsforums (WEF) vorzudringen und werden von Sicherheitskräften abgedrängt. Es gab 5 Verletzte, darunter befanden sich 4 Polizisten.

Am 20. Juli 2001 beim G8 Gipfel in Genua kam es bereits am ersten Tag zu Zusammenstößen zwischen Beamten und Globalisierungsgegnern. Ministerrücktritt wurde gefordert. Es entstanden Schäden in der Höhe von umgerechnet rund 51 Mio €.

Die Aufzählung der Vorkommnisse ist bei weitem nicht erschöpfend.

Im Vorfeld der jeweiligen Wirtschaftstreffen kam es zu massiven Gewaltaufrufen auf den jeweilig unterschiedlichsten Internetseiten z.B. […].

Auch für den in Salzburg vom 15.9. bis 17.9.2002 stattfindenden EES wird unter anderem auf www.antiwef.org zu Blockaden und Demonstrationen aufgerufen sowie Informationen (Does and Dont's) im Umgang mit der Polizei bekannt gemacht.

Bei diesen Aufrufen wird, wie auch immer wieder bei vergangenen Wirtschaftstreffen festzustellen war, eine Verbindung zu bereits vorangegangen Treffen, insbesondere das Treffen in Davos hergestellt, und in Anlehnung an diese zu vermehrtem Widerstand aufgerufen.

Weiters wurde als Gegenveranstaltung zum WEF Jahrestreffen in New York ein Welt Sozial Forum in Porto Alegre unter dem Motto 'der Kampf geht weiter' eine andere Welt ist möglich' abgehalten.

Inhalte waren unter anderem der Aufbau eines neuen virtuellen Netzwerkes für Aktivisten oder der Betrieb eines Ausbildungslagers für 'direkt actions'.

Aufgrund dieser Demonstrations- und Widerstandsaufrufe kam es in der Folge zur Übernahme und Ausweitung des vorhandenen Internettextes durch zahlreiche weitere nationale und Internationale Globalisierungsgegner, wobei der Inhalt bzw. die Aufrufe zum Widerstand immer heftiger und massiver wurden.

        Essentielle Inhalte waren Schlagworte wie: 'Smash the WEF'

(to smash = zertrümmern, vernichten, zerschmettern) und 'Wipe out

Wef' (to wipe = wegwischen, auslöschen, vernichten, tilgen), WEF

Gipfel blockieren!, WEF Gipfel stürmen!, Friede den Hütten! Krieg den Palästen!, Sturm auf die Festung etc.

In diesen Texten und Aufrufen, die auch als Flugblätter in Salzburg und Wien kursieren, wird wiederholt auf die Vorgänge im Zusammenhang mit anderen Wirtschaftstreffen (Nizza, Prag, Davos, Seattle, Genua, Göteborg u.a.) Bezug genommen und dem Informationsempfänger eindeutig klargemacht, dass sich die dortigen Vorgänge wiederholen bzw. diese intensiviert werden müssen.

Laut Einschätzung von Kennern der Salzburger Szene haben sich vor allem zwei Plattformen im Umfeld des EES herauskristallisiert:

Einerseits das 'Salzburg Social Forum' welches, wie von ihnen mehrmals versichert, eine friedliche Demonstration plant, jedoch eine Unterwanderung von militanten Kräften nicht ausschließen kann und andererseits eine Plattform bekannt als 'Sozialistischer Widerstand International'.

Von dieser - müsste die Behörde eine Einstufung vornehmen - würde die eher im linksextremen Bereich anzusiedeln sein und wird von dieser Seite massiver Widerstand erwartet.

Ein Aufruf zu einer großen Straßenschlacht auf der Salzburger Staatsbrücke ist bereits für den 13.9.2002 geplant.

Betitelt wird die Aktion mit 'Schlacht zwischen Aliens und Eingeborenen'.

Geplant ist mit Wurfgeschossen, vor allem Gemüse, einen der wichtigsten Verkehrswege lahm zu legen.

Aufgerufen wird unter anderem auf den Internetseiten […].

Es ist anzunehmen, dass im Rahmen der Internetankündigungen und Empfehlungen an die teilnehmenden 'Eventhoppers' auch jene wiederzufinden sind, die bis dato die militant organisierten Ausschreitungen auch unter Zuhilfenahme von technischen Hilfsmitteln steuerten und auswählten.

Die spontan radikal agierende Szene steht erst am Beginn ihrer Vorbereitungen und beschränkte sich bis dato nur auf wenige Treffen.

Fest steht jedenfalls, dass die gemäßigte Szene ein breiteres Spektrum mobilisieren wird als im Vorjahr und der radikalen Szene dadurch wesentlich bessere Möglichkeiten eröffnet, da diese sich bei Ihrer Organisation nunmehr besser orientieren können.

Salzburg befindet sich nun wieder im Zentrum des Geschehens und ist Mittelpunkt sämtlicher Aufrufe, die einen sicheren Ablauf des EES gefährden sollen.

Um die letzten stattgefundenen wirtschaftlichen Großveranstaltungen aktuell für eine Gefährdungsprognose auszuwerten, bedarf es lediglich eines Rückblickes auf die Medienberichterstattung, welche darauf schließen lässt, dass ein bis zum Treffen in Salzburg 2002 weiter alternierendes Aggressionspotential von Anfang an vorhanden ist.

So war z.B. im Angebot für 'Eventhoppers' die Teilnahme an Protesten anlässlich des EU Gipfels in Göteborg vorgesehen. Die diesbezüglichen Ausschreitungen und das an den Tag gelegte Aggressionspotential, die im Schutz friedliebender Teilnehmer von Versammlungen ihren Ausgangspunkt für ihre Aktivitäten suchten, sind objektiv bekannt.

Hier versuchte offensichtlich vergeblich die schwedische Polizeiführung im Vorfeld auf Dialog und Verständigung zu setzen bzw. war die bereits ein Teil der Taktik der Aktivisten.

In Anlehnung an dieses Beispiel wird deutlich, dass das größte Problem bei den Sicherheitsvorkehrungen Aktivisten, die den Schutz in der friedliebenden Menge suchen und somit äußerst schwer bzw. nur anhand von Erfahrungswerten einzuschätzen sind, darstellen.

'Rache für den Kessel'. So lauten in einschlägigen Kreisen, die dem Unterfertigten persönlich von Anmeldungen zu anderen Demonstrationen im Bereich der Salzburger Szene bekannten Aussagen, welche eindeutig auf eine andere verschärfte Planung der Aktivisten in diesem Jahr schließen lässt.

Im Vorjahr hat nur eine Standkundgebung in Verbindung mit einem untersagten Demonstrationsmarsch bereits zu einer notwendigen 'Einkesselung' der Demonstranten geführt.

Damals ist bereits eine angezeigte Versammlung in Form eines Demonstrationsmarsches untersagt und 'nur' eine Standkundgebung genehmigt worden.

Trotzdem konnten Ausschreitungen nicht verhindert werden.

Umso mehr ist dem an Sie gerichteten Angebot, eine andere Marschroute zu wählen, Aufmerksamkeit zu schenken.

Denn obwohl auf die Vorkommnisse vom letzten Jahr Bedacht genommen wurde, wäre Ihnen eine, das Grundrecht wesentlich weniger beschränkende, Demonstration genehmigt worden.

919 Aktivisten mussten abgedrängt werden und erfolgte eine Anhaltung im Rahmen von abgesperrten Straßenzügen, welche nicht Teil der ursprünglichen Polizeitaktik war, aber aufgrund der Aggressivität der Teilnehmer notwendig wurde. Selbst die erkennende Behörde kommt zur Ansicht, dass diese Maßnahmen in Verbindung mit der Dauer der Anhaltung im Grenzbereich zu Art3 MRK anzusetzen ist.

Es gab zahlreiche Festnahmen und bis dato ist es zu einigen gerichtlichen Verurteilungen gekommen.

Es wird angenommen, dass aufgrund von vielen anderen Event-Terminen im Vorjahr den Aktivisten viel geringere finanzielle Mittel zur Verfügung standen und dennoch ist es zumindest teilweise den Veranstaltern der Gegenmaßnahmen gelungen die Polizeisperren mittels einer ausgearbeiteten Taktik beim Zuführen eines Demonstrationszuges zum Südtirolerplatz zu durchbrechen.

Da sich im Umfeld des heuer stattfindenden EES keinerlei öffentliche Veranstaltungen im In- bzw. Ausland finden, welche als Schauplätze für Demonstranten friedlicher und militanter Natur dienen könnten, wird davon ausgegangen, dass sie alle finanziellen Mittel für das Treffen in Salzburg mobilisieren werden, um so massiv wie möglich agieren zu können.

Somit darf auch damit gerechnet werden, dass mehr Demonstranten aus dem Ausland die finanzielle Möglichkeit haben werden nach Salzburg anzureisen.

Ebenfalls ermöglicht ein höherer finanzieller Aufwand eine nach militärischem Muster angelegte Organisation, wie sie bereits in Göteborg durchgeführt wurde.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Demonstranten der Hilfe von Spezialisten im Umgang mit moderner Telekommunikation und Satellitentechnik bedient haben.

So agierten die Demonstranten ähnlich organisiert wie die Polizei mit einer Art Kommando bzw. Funkzentrale, die den Polizeifunk abhörte, sodass die Polizeitaktik und die jeweilige Kräfteanforderungen und Standorte der Polizeitruppen bekannt war und wurden via Satellit auf die Handys der Teilnehmer mittels SMS Anweisungen weitergegeben, so z.B. 'nach links ausbrechen', 'von rechts kommen größere Polizeieinheiten'.

Solch eine Organisation ist auch für den Gipfel in Salzburg 2002 nicht auszuschließen.

Es besteht daher die berechtigte Befürchtung, dass es in einem für Salzburg noch nie da gewesenen hohen Maß an Ausschreitungen kommen wird.

Trotz dieser Annahmen wurde Ihnen in den jeweiligen Besprechungen sowohl zum Stand des Ermittlungsverfahren und zur Wahrung des Parteiengehörs (deren Stattfinden ist dem beim Akt befindlichen Schreiben des Dr. B vom 18. Juli 2002 zu entnehmen), sogar die Möglichkeit eines Demonstrationszuges auf einer anders festgelegten Marschroute gewährt (statt Schwarzstrasse über Lehener Brücke und dann weiter Fr. Josefs-Kai /Die ablehnende Haltung der Anmelder ist auch im AV. vom 12.06.02; Besprechung mit Behördenleiter dokumentiert/Hinweis auch zu bei Anmeldung übermittelten Stadtplan als Nachweis zu unmittelbaren Nahebereich zu gefährdetem Objekt). Ergänzend siehe AV. vom 12.08.02.

Die Behörde hätte somit, um das Grundrecht der Versammlungsfreiheit so wenig als möglich zu beschneiden und trotz der Erfahrungen des EES 2001, anstatt einer 'nur Standkundgebung' einen Demonstrationsmarsch mit dem erforderlichen Mindestabstand zum Sicherheitsobjekt nicht untersagt.

Eine alternative Marschroute wurde von Ihnen abgelehnt.

Die zum Schutze der an den jeweiligen Wirtschaftsgipfeln beteiligten notwendigen Maßnahmen, müssen daher zumindest teilweise unter der Beschneidung von Grundrechten durchgeführt werden um sowohl den Schutz der friedlichen Menge als auch den der am Treffen Beteiligten zu gewährleisten.

Die verhältnismäßige Abwägung des Einschnittes in die geschützte Grundrechtssphäre des Einzelnen findet im Vergleich zu berechtigt befürchteten Angriffen auf Leib und Leben, die aller Wahrscheinlichkeit nach stattfinden werden und auch immer stattgefunden haben, seine Berechtigung.

Unter größtmöglicher Bedachtnahme auf die Versammlungsfreiheit und auf Rücksicht auf die polizeilichen Möglichkeiten umfassenden Schutz zu gewährleisten sind u.U. Änderungen der Marschroute sowie andere Kundgebungsplätze für Demonstrationen oder Versammlungen anzusteuern.

Dies bedeutet eine relativ geringe Einschränkung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit und soll auch nicht dahingehend gewertet werden, dass die demonstrierende Menge bloß fernab von der geplanten Veranstaltung ihre Aktionen setzen darf und somit von dem Veranstaltungsort des EES außer Sichtweite gerät, sondern aufgrund der gebotenen Möglichkeiten es der Exekutive nicht möglich ist in einem engeren Abstand für Ruhe und vor allem Sicherheit zu sorgen.

Die von der Behörde festgelegten Sicherheitszonen, durch welche Ihre Versammlung zumindest teilweise führen soll, sind in Übereinstimmung mit der Zahl der, der Behörde zur Verfügung stehenden Sicherheitsorgane bestimmt worden und lassen keine Verlegung dieser zu.

Ein Eintritt in die Sicherheitszonen muss zudem für die dort lebende, tätige Bevölkerung ermöglicht werden und erfordert Durchsuchungszonen, welche nicht für eine so große, als angegebene Menge, geeignet sind.

Diese Zonen erfordern ohnehin einen sehr hohen Personalaufwand.

Wenn nun die Behörde Verbots- und Sicherheitszonen einrichten muss und dieser Bereich territorial sehr eng gehalten wird, um ebenso wenig als möglich Einschränkungen im täglichen Leben herbeizuführen, so ist daraus zu erkennen, dass ein Demonstrationsmarsch im unmittelbaren Nahebereich dieser Zonen die Polizeitaktik ad absurdum führen würde und die Polizei sich selbst in ihrer Arbeit behindern würde. Aus dieser Argumentation ist auch ersichtlich, dass im Mittelpunkt der Entscheidung nur die Sicherheit der Teilnehmer am WEF, dem Schutz der Bevölkerung und die Inganghaltung von strafbaren Handlungen steht.

Es ist daher mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass sich eine große Anzahl von den zum Teil militanten Globalisierungsgegnern in abgehaltene Versammlungen einschleust und es im Zuge der Durchführung der Versammlungen nicht nur zur Begehung von Verwaltungsübertretungen nach dem EGVG, SPG und Sbg. LPStG, sondern darüber hinaus zur Begehung von massiven strafrechtlichen Delikten, wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Landfriedensbruch, Landzwang und dgl. kommen wird, zumal es an sämtlich obgenannten Veranstaltungsorten zu vergleichbaren Rechtsverletzungen gekommen ist.

Im Zuge der bis zum jetzigen Zeitpunkt durchgeführten Besprechungen im Vorfeld des EES und Ihrer Anzeige definieren Sie den Zweck der Versammlung dahingehend näher, als es sich um einen friedlichen Protest gegen das Instrument des Weltwirtschaftsforums handelt, das insbesondere auf soziale Auswirkungen auf die Bevölkerung verschiedener Länder nicht Rücksicht nimmt.

Es wurde Ihnen hinsichtlich der erwähnten unfriedlichen Ankündigungen die Problematik der Durchführung einer abgehaltenen Versammlung erläutert, wobei Sie erklärt haben, dass Sie sich dieser Problematik durchaus bewusst wären, zumal auch Sie über entsprechende Informationen verfügen, die sich mit den Informationen der Bundespolizeidirektion Salzburg decken würden.

Sie könnten auch nicht dafür Sorge tragen, dass sich unfriedliche Teilnehmer am Demonstrationsmarsch beteiligen bzw. hinzutreten würden. Sie könnten zwar durch ein Ordneraufgebot von 200 Mann das Auftreten von österreichischen Chaoten beherrschen, nicht jedoch das Auftreten von ausländischen, insbesondere durch die zu erwartende hohe Anzahl, wobei von Teilnehmern aus der deutschen und italienischen Szene die größte Gefahr drohe.

Die von Ihnen rasch erbetene Entscheidung der Behörde unterliegt einer umfassenden Abwägung der bis zu diesem Zeitpunkt offenkundigen Ermittlungen und Ihrer Anzeige.

Eine konkretere Einbeziehung der äußeren Umstände würde einer Entscheidung bedürfen, welche erst unmittelbar vor Stattfinden des EES getroffen wird, da sämtliche erst in Plan befindlichen Aktionen der Veranstaltungsgegner der Behörde noch nicht zur Gänze bekannt sind.

Ein Abwarten würde jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin nur dazu führen, dass mehr, für die Sicherheit gefährliche, Aktionen ans Tageslicht treten und die positive Entscheidung über angezeigte Versammlungen nochmals erschwert werden würde, da die bis dato bekannten Ermittlungen für eine Untersagung bereits ausreichen.

Sie würden jedoch unabhängig einer Entscheidung der BPD Salzburg Überlegungen anstellen, die Situation zu entschärfen und allenfalls Alternativvorschläge ausarbeiten.

Zusätzlich ergibt sich die Problematik, dass durch eine entsprechende Verordnung i.S.d §36 Abs1 SPG Platzverbotsbereiche (im Bereich Hans-Prodingerstraße - Faberstraße-Haydnstraße - Dreifaltigkeitsgasse - Salzach) errichtet werden, wobei die Zielsetzung der Aktivisten sein wird, aus der Demonstration in Richtung dieser Sicherheitsbereiche organisiert zu marschieren.

Die Teilnahme an der von Ihnen beabsichtigten Demonstration wäre für jedermann, somit auch für die angekündigten militanten Globalisierungsgegner. deren vorrangiges Ziel die Begehung von verwaltungs- und strafrechtlichen Delikten ist, möglich, wobei das Einschleusen dieses Personenkreises durch die relativ lange Demonstrationsdauer, bedingt durch die Wegstrecke, begünstigt würde, sodass eine negative Prognose zu stellen ist, wobei konkret im Internet die Einladung zum Sammeln am Südtirolerplatz (Bahnhofsvorplatz) und somit als Ausgangspunkt die gegenständliche Versammlung für Aktivisten bereits wiederzufinden ist.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß §16 lita des Versammlungsgesetzes 1953 ist unter Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes an Orten, die zum Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde gehören, diese Behörde zu verstehen.

Die Bundespolizeidirektion Salzburg ist daher sowohl örtlich als auch sachlich zuständige Behörde.

Gemäß §6 des Versammlungsgesetzes 1953 sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde zu untersagen.

Artikel 11 Abs2 der EMRK 1958 lässt unter den vorangeführten Voraussetzungen ebenfalls einen Eingriff in das Recht der Versammlungsfreiheit zu.

Die gewalttätigen Ereignisse an den vorangeführten Veranstaltungsorten, verbunden mit den durch die auf elektronischem Weg und durch Wurfsendungen erfolgten Aufforderungen und Ankündigungen zu fortlaufend weiteren Gewalttätigkeiten lassen jedenfalls die Prognose zu, dass es im Falle der Abhaltung der beantragten Versammlung zu unfriedlichen Ausschreitungen verbunden mit massiven Rechtsverletzungen und somit zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles kommen würde.

Wie hoch von der erkennenden Behörde im Rahmen der Abwägung und im Rahmen der Entscheidungsfindung das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gewertet wurde, wird objektiv aus dem Umstand ersichtlich, dass die Behörde trotz der Vorfälle vom Vorjahr (WEF 2001), wo eine Standkundgebung und kein Demonstrationsmarsch genehmigt war und sich trotzdem aus der Standkundgebung die angeführte gefährliche Situation entwickelte, so muss für jeden Außenstehenden erkennbar sein, dass, wenn die Behörde beabsichtigt einen Demonstrationsmarsch lediglich im Rahmen eines Schutzbereiches zum zu schützenden Objekt einzuschränken und grundsätzlich zu genehmigen.

Nicht zuletzt hat auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.12.2000 (Erk. VfGH B1613/99-10) festgehalten, dass Versammlungen zu untersagen sind, wenn die Begehung von selbst 'nur' Verwaltungsübertretungen (z. B. Störung der Ordnung) zu prognostizieren sind.

Bei Abwägung der Interessenslagen vertritt die Behörde die Ansicht, dass jedenfalls der Eingriff in Ihr Grundrecht auf Durchführung der Versammlung weniger schwer wiegt - zumal Sie auch durch alternative Aktionen durchaus auf Ihre Anliegen aufmerksam machen könnten - als die im Falle der Abhaltung der Versammlung in der beantragten Form die zu erwartenden Gefahr der Begehung massiver Rechtsverletzungen mit den damit verbundenen Eingriffen in andere Rechtsgüter insbesondere in jene der Unversehrtheit von Leib und Leben sowie Gesundheit und Eigentum anderer Personen.

Aus dem von Ihnen angeführten Höchstgerichtlichen Entscheidungen kann für den Anmelder nichts gewonnen werden, da sich die Behörde sehr wohl ausreichend mit dem Sicherheitsaspekt bzw. Gefährdungspotential auseinandergesetzt hat und die Zielsetzung der Behörde nicht ist, sämtliche Demonstrationen zu untersagen.

Ev. Einschränkungen des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit durch die Behörde sind nicht darauf gerichtet den Teilnehmern des WEF den Anblick von Demonstranten zu ersparen, sondern wie ausführlich dargelegt müssen diese aus Sicherheitsbedenken nach Abwägung durchgeführt werden.

In die behördliche Abwägung wurde vor allem einbezogen, dass Ihnen trotz den Erfahrungswerten eine Alternative eingeräumt wurde, welche in hohem Maße auf die Grundrechte Bedacht nimmt.

Die Ermöglichung einer Demonstration, wenn auch nur unter bestimmten behördlichen Konsens - bzw. Rahmenbedingungen, ist in jedem Falle konformer mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzustufen, als die bloße Genehmigung einer Standkundgebung.

Die hohe Bedachtnahme der Behörde auf die Grundrechte steht hiermit im Vordergrund."

1.3. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg mit Bescheid vom 7. Februar 2003 keine Folge. Begründend führt die Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Von 15. bis 17. September 2002 habe im Kongresshaus in Salzburg die (vom World Economic Forum durchgeführte) Veranstaltung "European Economic Summit" (EES) stattgefunden; diese Veranstaltung "sollte am Sonntag, den 15.09.2002, um 16.00 Uhr mit der Akkreditierung der Teilnehmer eröffnet und am späten Nachmittag des 17.09.2002 geschlossen werden".

Es sei "unbestrittenes internationales Polizeiwissen", dass die Demonstrationen friedlicher Globalisierungsgegner von militanten und gewalttätigen Globalisierungsgegnern zur Ausübung von Gewalt gegen Personen und Sachen benutzt werden. Bei solchen Demonstrationen, bei denen die vorgesehene Route ein Vordringen zu den kritisierten Veranstaltungseinrichtungen möglich erscheinen ließ, sei es den Veranstaltern durchwegs nicht gelungen, die gewalttätigen Teilnehmer auszuschließen oder sie von ihrem Vorgehen abzuhalten.

Die Behörde erster Instanz habe daher versucht, die Demonstrationsroute so abzuändern, dass es kaum möglich gewesen wäre, zum Kongresshaus vorzudringen. Da die Veranstalter dazu jedoch nicht bereit gewesen seien, sei die Versammlung gemäß §6 VersG zu untersagen gewesen.

Die Behörde erster Instanz habe in ihrem Bescheid das Sicherheitsrisiko für das Kongresshaus als Veranstaltungsort des EES, womit die Prognose für einen gewalttätigen Ablauf der Demonstration im Bereich der Schwarzstraße begründet worden ist, umfangreich dokumentiert und begründet; dem schließe sich die Berufungsbehörde vollinhaltlich an.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Versammlungsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Die Beschwerdeführer bringen vor, dass die WEF-Tagung erst am 16. September 2002, also am Tag nach der geplanten Demonstration, begonnen habe; am 15. September 2002 hätten sich die Teilnehmer noch nicht im Kongresshaus aufgehalten und wären folglich durch die Demonstration nicht gefährdet worden. Die Behörde habe sich insgesamt nicht ausreichend mit den konkreten Sicherheitsrisiken auseinandergesetzt. Ausschreitungen ausländischer Globalisierungsgegner können nach Ansicht der Beschwerdeführer nicht ohne weiteres als Begründung zur Untersagung der Demonstration in Salzburg herangezogen werden, zumal es sich dabei um Großdemonstrationen mit ca. 40.000 bis 50.000 Teilnehmern gehandelt habe, wohingegen bei der geplanten Versammlung nur ca. 2000 Teilnehmer erwartet worden wären; überdies habe die Behörde erster Instanz in ihrem Bescheid auch festgehalten, dass Grenzkontrollen eingeführt würden, weshalb ausländische gewaltbereite Demonstranten nur erschwert hätten einreisen können.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 12.257/1990 und 15.109/1998 sowie die dort zitierte Vorjudikatur) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechts betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts zu werten. So verletzt etwa jeder Bescheid, mit dem österreichischen Staatsbürgern gegenüber die Abhaltung einer Versammlung untersagt wird, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit schon dann, wenn das Gesetz unrichtig angewendet wurde.

1.2. Die belangte Behörde hat den Bescheid, mit dem sie die angezeigte Versammlung untersagte, auf §6 VersG gestützt. Diese Bestimmung lautet:

"Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen."

Diese Bestimmung ist angesichts des materiellen Gesetzesvorbehalts in Art11 Abs2 EMRK im Einklang mit dieser Verfassungsnorm zu interpretieren. Die Behörde ist daher zur Untersagung nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der in Art11 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist (s. etwa VfSlg. 10.443/1985, 12.155/1989, 12.257/1990).

Dabei hat die Behörde bei ihrer Entscheidung die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die in Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen. Diese Entscheidung ist eine Prognoseentscheidung, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hat.

2.1. Im bekämpften Bescheid wurde die Untersagung der Versammlung im Kern damit begründet, dass bei der geplanten Demonstrationsroute kein ausreichender Abstand zum Tagungsort des WEF, dem Kongresshaus, eingehalten würde, sodass in diesem Bereich Ausschreitungen gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer zu befürchten seien.

2.2. Die Behörde war nicht berechtigt, von sich aus die Versammlungsanzeige zu ändern oder zu modifizieren. Sie hatte die Versammlung - in der Art, wie sie angezeigt wurde - entweder zu untersagen oder nicht zu untersagen. Wenn die Behörde meinte, auch nur eine der Modalitäten der beabsichtigten Versammlung (etwa der Kundgebungsort) sei derart, dass eines der in Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet würde, hatte sie die Versammlung zu untersagen; hätte sie die Untersagung unterlassen, so wäre die Versammlung in der angezeigten Form erlaubt gewesen (VfSlg. 15.362/1998).

Sieht sich die Behörde veranlasst, nur wegen eines einzelnen bestimmten Umstandes die Untersagung auszusprechen, so hat sie zuvor den Veranstalter darauf aufmerksam zu machen und ihm die Änderung der Versammlungsanzeige nahe zu legen (VfSlg. 9103/1981, 15.362/1998).

Diese Vorgangsweise wurde von der Versammlungsbehörde erster Instanz eingehalten. Die Beschwerdeführer haben sich jedoch - wie auch in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ausführlich dargestellt - letztlich in Kenntnis der Einschätzung der Behörde für die Beibehaltung der ursprünglichen Route entschieden. Die Behörde hatte daher über die Versammlung in der angezeigten Form zu entscheiden.

2.3. Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die bloß allgemeine Befürchtung, es werde zu Ausschreitungen und damit zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohles kommen, nicht ausreicht, um die Untersagung einer Versammlung zu rechtfertigen (vgl. dazu auch Berka, Probleme der grundrechtlichen Interessenabwägung - dargestellt am Beispiel der Untersagung von Versammlungen, in: FS Rill 1995, 3 [12 ff.]).

2.4. Im vorliegenden Fall hat die Behörde ihre Prognose, dass jedenfalls mit Ausschreitungen größeren Ausmaßes zu rechnen sei, aber auf Berichte und Informationen über Demonstrationen anlässlich vergleichbarer Wirtschaftsgipfel gegründet (s. oben Pkt. I.1.2.). Was den Veranstaltungsort Salzburg betrifft, hat sie sich zudem insbesondere auf die konkreten Ereignisse anlässlich der WEF-Tagung des Jahres 2001 in Salzburg bezogen, bei der eine große Anzahl von Demonstranten versuchte, zum Tagungsort gewaltsam vorzudringen, weshalb die Polizei sie letztlich "eingekesselt" hat. Dabei wurden einige Personen verletzt.

Dass die Behörde unter Zugrundelegung der konkreten, teilweise von ihr selbst gemachten, Erfahrungen bei der Beurteilung der angezeigten Versammlung (Route) zur Prognose gelangte, dass es auch im Jahr 2002 zu vergleichbaren Vorfällen kommen würde, ist nicht zu beanstanden.

Die angezeigte Versammlung wurde somit zu Recht untersagt. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrechts ist nicht erfolgt.

Im Hinblick darauf, dass die Behörde rechtsrichtig entschieden hat und dass gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, ist es ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3. Dem Antrag der Beschwerdeführer auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof konnte deshalb nicht Folge gegeben werden, weil das Versammlungswesen seine Regelung im gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz geltenden Art12 StGG findet, weshalb - da jede Rechtsverletzung auf diesem Gebiet unmittelbar das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt - für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum bleibt (zB VfSlg. 14.365/1995, 15.680/1999).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Versammlungsrecht, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B491.2003

Dokumentnummer

JFT_09959370_03B00491_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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