RS Vfgh 1996/9/30 B1724/95

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 30.09.1996
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Index

60 Arbeitsrecht
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
StGG Art3
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK Art7
ArbeitsmarktförderungsG §17 ff
GleichbehandlungsG §1 Abs4
GleichbehandlungsG §3a
GleichbehandlungsG §10d
GewO 1994 §128
GewO 1973 §109a

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Strafbestimmung des GleichbehandlungsG hinsichtlich der Strafbefugnis für die Verletzung des Gebots geschlechtsneutraler Stellenausschreibung bei privater Arbeitsvermittlung von Führungskräften im Hinblick auf das Determinierungsgebot, den Gleichheitssatz und die Erwerbsausübungsfreiheit; zulässige dynamische Verweisung; eindeutiges Ergebnis bei Ermittlung des Norminhalts; keine Bedenken gegen die Geltung der Strafbestimmung zunächst nur im Bereich der Vermittlung von Führungskräften im Hinblick auf das etappenweise Inkrafttreten der gewerberechtlichen Regelung; kein Verstoß der Festlegung einer Anwältin für Gleichbehandlungsfragen gegen den Gleichheitssatz und gegen das Gebot der allgemeinen Ämterzugänglichkeit angesichts der Geltung personenbezogener Bezeichnungen für beide Geschlechter

Rechtssatz

Durch die Verweisung auf die §17 ff ArbeitsmarktförderungsG in der jeweils geltenden Fassung wird klargestellt, daß sich die Strafdrohung gegen natürliche oder juristische Personen richtet, die neben der Arbeitsmarktverwaltung zur Arbeitsvermittlung berechtigt sind.

Mit der Bezugnahme auf die gewerberechtliche Regelung wird in auslegungsfähiger Weise auf die GewO 1973 idF BGBl. 686/1991 verwiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt galt in der GewO nur eine einzige Bestimmung, die sich auf private Arbeitsvermittlung bezog, nämlich die (für den Beschwerdeführer einschlägige) Bestimmung des §109a, die die Betriebsberater "zur Ausübung der auf den Personenkreis der Führungskräfte eingeschränkten Arbeitsvermittlung" berechtigte.

Die Ermittlung des Normgehalts der angewendeten Rechtsvorschrift durch die nachgezeichnete Verweisungskette führt daher zu einem eindeutigen Ergebnis. Sie ist - wie dem Beschwerdeführer zuzugestehen ist - für den Normunterworfenen mühsam; erfordert aber - jedenfalls soweit es sich um den Normgehalt zum Tatzeitpunkt handelt - keinen derartigen Aufwand, daß die Rechtsvorschrift im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes mit Verfassungswidrigkeit belastet wäre.

Eine Zulassung "privater" Arbeitsvermittlung zunächst nur hinsichtlich der Vermittlung von Führungskräften und erst in einem zweiten Schritt hinsichtlich der Vermittlung von sonstigen Arbeitskräften ist dem Gesetzgeber weder durch den Gleichheitsgrundsatz noch durch das Grundrecht der Erwerbsfreiheit noch durch eine sonstige Bestimmung des Bundesverfassungsrechtes verboten. Die geschilderte Vorgangsweise des Gesetzgebers bei der Zulassung der privaten Arbeitsvermittlung für andere als Führungskräfte mag zwar legistisch mißglückt sein, Bestimmungen des Bundesverfassungsrechtes wurden dabei aber nicht verletzt.

Nun vermag der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber aber unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes jedenfalls dann nicht entgegenzutreten, wenn er - im Hinblick auf das etappenweise Inkrafttreten der (gewerberechtlichen) Regelung über die private entgeltliche Arbeitsvermittlung (von Führungskräften mit 01.01.92, von allen anderen - letztlich - mit 01.07.94) zunächst nur die ungerechtfertigte "geschlechtsspezifische" Ausschreibung von Führungskräfteposten unter Strafdrohung stellte (vgl. VfSlg. 12.154/1989 und 12.691/1991). Er hat daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß sich die Strafbestimmung des §10d GleichbehandlungsG zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nur auf die geschlechtsspezifische Stellenausschreibung für Führungskräfte bezog.

Die Bestimmung des §1 Abs4 GleichbehandlungsG, wonach "bei allen personenbezogenen Bezeichnungen ... die gewählte Form für beide Geschlechter" gilt, ermöglichte jedenfalls eine verfassungskonforme Interpretation der Regelung über die Einrichtung dieses als "Anwältin für Gleichbehandlungsfragen" bezeichneten Organs (§3a leg.cit.).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verweisung dynamische, Determinierungsgebot, Arbeitsrecht, Gleichbehandlung, Arbeitsvermittlung, Gewerberecht, Gleichbehandlung sprachliche, Ämterzugänglichkeit, Etappenregelung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B1724.1995

Dokumentnummer

JFR_10039070_95B01724_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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