TE Vfgh Erkenntnis 2005/2/28 A22/04

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Veröffentlicht am 28.02.2005
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
ABGB §1431
ZustellG §4, §17

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Rückzahlung einer geleisteten Geldstrafe angesichts der Zustellung der Strafverfügung durch ordnungsgemäße Hinterlegung

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Strafverfügung vom 3. November 1999, Zl. 3-5877-99, wurde der Kläger von der Bezirkshauptmannschaft Melk bestraft, weil er am 30. Mai 1999 auf der A1 Westautobahn in Fahrtrichtung Wien eine Übertretung der StVO und mehrere des KFG iVm. der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 und der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 begangen hatte. Nach zweimaligem Zustellversuch per Adresse R-straße ..., 4060 Leonding, die er selbst anlässlich der Verkehrskontrolle am 30. Mai 1999 als Wohnadresse angegeben hatte, wurde die Strafverfügung am 8. November 1999 am Postamt Leonding hinterlegt und am 30. November 1999 mit dem Vermerk "nicht behoben" an die Bezirkshauptmannschaft Melk zurück gesendet. Mit dem an die Adresse R-straße ..., 4060 Leonding, gerichteten Schreiben vom 30. Juni 2000 wurde der Kläger zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert. Daraufhin bezahlte er die über ihn verhängte Geldstrafe.

Am 12. Dezember 2000 beantragte der Kläger eine neuerliche Zustellung der Strafverfügung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 22. Jänner 2001 abgewiesen.

2. Das dagegen erhobene Rechtsmittel an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Niederösterreich blieb erfolglos.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Kläger Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, die mit Erkenntnis vom 4. Juni 2004, 2001/02/0065, zurückgewiesen wurde. Es wurde außerdem darauf hingewiesen, dass dem Kläger ein subjektiv-öffentliches Recht auf Zustellung der Strafverfügung nicht zustehe, zumal dies im Ergebnis auf ein nicht bestehendes subjektiv-öffentliches Recht auf Bestrafung hinausliefe.

4. Mit Schreiben vom 29. Juli 2004 forderte der Kläger durch seinen auch nunmehr ausgewiesenen Vertreter die Bezirkshauptmannschaft Melk auf, ihm zur Abrechnung der Angelegenheit mit der Rechtsschutzversicherung eine Kopie der Strafverfügung vom 3. November 1999 zu übersenden. Diese Kopie erhielt er per Telefax am 4. August 2004. Der Kläger wandte Verjährung gemäß §31 Abs3 VStG ein. Mit Schreiben vom 27. August 2004 forderte er die Bezirkshauptmannschaft Melk zur Rückzahlung der Geldstrafe auf, dieses Begehren wurde am 1. Oktober 2004 abgelehnt.

5. Der Kläger begehrt mit der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Klage die Rückzahlung des von ihm bezahlten Betrages, weil dessen Einhebung mangels ordnungsgemäßer Zustellung der Strafverfügung ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die Beweislast für die Rechtswirksamkeit der Zustellung treffe die belangte Behörde.

6. In der Gegenschrift führt die beklagte Partei aus, dass sich das Vorbringen des Klägers, er habe sich im August 1999 von der Adresse R-straße ..., 4060 Leonding, abgemeldet und an der Adresse W-straße ..., 4050 Traun, angemeldet, auf meldegesetzliche Bestimmungen beziehe. Eine vorhandene Abgabestelle nach §4 des Zustellgesetzes könne dieser Umstand nicht ungültig machen. Die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 3. November 1999 sei durch ordnungsgemäße Hinterlegung gemäß §17 des Zustellgesetzes zugestellt worden.

Spätestens am 4. August 2004 sei dem Kläger zu Handen seiner Rechtsvertreter jedenfalls die mit Telefax übermittelte Strafverfügung zugekommen. Gemäß §7 des Zustellgesetzes gelte die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen sei. Selbst wenn die vom Kläger behaupteten ursprünglichen Zustellmängel tatsächlich vorgelegen seien, sei die Zustellung - unter Berücksichtigung des Eintrittes der Fristenhemmung durch das höchstgerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - jedenfalls am 4. August 2004 ordnungsgemäß erfolgt. Da innerhalb der zweiwöchigen Frist kein Rechtsmittel gegen die Strafverfügung eingebracht worden sei, sei diese rechtskräftig geworden.

7. In einem weiteren Schriftsatz bringt der Kläger vor, ihm sei die Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe zufällig zugekommen. Dieser Umstand bedeute keinen Beweis für eine gesetzmäßige Zustellung der Strafverfügung vom 3. November 1999 an der Adresse R-straße ..., 4060 Leonding. Bei der Übersendung des Telefax am 4. August 2004 handle es sich um keinen amtlichen Zustellvorgang, weil die Bezirkshauptmannschaft Melk die formelle neuerliche Zustellung der Strafverfügung verweigert habe.

Der die Verjährungsfrist hemmende §31 Abs3 VStG sei nur anwendbar, wenn in der Sache selbst ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesen wäre. Im damaligen Verfahren sei jedoch nicht die Strafverfügung vom 3. November 1999 bekämpft, sondern deren neuerliche Zustellung beantragt worden. Damit die fristenhemmende Bestimmung des §31 Abs3 VStG zur Anwendung gelangen hätte können, hätte jedoch eine Behandlung des Straferkenntnisses selbst erfolgen müssen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Gemäß Art137 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche zu erkennen, die gegen den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden oder Gemeindeverbände erhoben werden, sofern sie weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Es handelt sich um eine subsidiäre Zuständigkeit, die nur dann gegeben ist, wenn über den umstrittenen vermögensrechtlichen Anspruch weder ein Gericht noch eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat. Die Klage ist nur möglich, wenn nicht bereits ein rechtskräftiger Abspruch über den vermögensrechtlichen Anspruch vorliegt.

Der Verfassungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung über die Rückforderung bereits geleisteter Geldstrafen keinen Zweifel an der Zulässigkeit einer Klage der hier vorliegenden Art (vgl. VfSlg. 8812/1980, 9556/1982, 13993/1994, 15175/1998).

2. In der Sache:

2.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können entrichtete Geldstrafen unter zwei Voraussetzungen - gestützt auf §1431 ABGB - zurückgefordert werden: Wenn es an einem Titel im Sinne einer rechtlichen Deckung fehlt und die Leistung aufgrund eines Irrtums erbracht worden ist. Einem Irrtum hat der Verfassungsgerichtshof - der zivilgerichtlichen Judikatur folgend - die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck der Exekution - somit unter Zwang - gleichgehalten (vgl. VfSlg. 8812/1980, 16036/2000).

2.2. Der Kläger war laut Meldezettel seit 19. August 1999 nicht mehr an der Adresse R-straße ..., 4060 Leonding, gemeldet, sondern an der Adresse W-straße 55, 4050 Traun. Dieser Umstand kann eine vorhandene Abgabestelle gemäß §4 Zustellgesetz jedoch nicht ungültig machen, zumal für das Vorliegen einer Abgabestelle der Ort der polizeilichen Meldung irrelevant ist (VwGH vom 26. Jänner 1999, 98/02/0347, und vom 22. Oktober 1999, 98/02/0218). Die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 3. November 1999 wurde dem Kläger am 8. November 1999 durch ordnungsgemäße Hinterlegung gemäß §17 Zustellgesetz zugestellt. Nach dieser Bestimmung kann ein Schriftstück beim zuständigen Postamt hinterlegt werden, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem Tag, an dem sie erstmals zur Abholung bereitgehalten werden, als zugestellt.

Die Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe vom 30. Juni 2000, die dem Kläger ebenfalls per Adresse R-straße ...5, 4060 Leonding, zugestellt worden war, wurde am 6. Juli 2000 hinterlegt. Da sie nicht an die Bezirkshauptmannschaft Melk zurück gesendet wurde, übernahm sie der Kläger offenkundig. Daher ist davon auszugehen, dass er sich zu diesem Zeitpunkt zumindest teilweise immer noch per Adresse R-straße ..., 4060 Leonding, aufhielt. Die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 3. November 1999 wurde dem Kläger am 8. November 1999 durch ordnungsgemäße Hinterlegung zugestellt.

Daraus folgt, dass der Kläger zahlungspflichtig geworden war und er keine Nichtschuld beglichen hat.

Das Klagebegehren war daher abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis war auf die Frage der Verjährung gemäß §31 Abs3 VStG nicht mehr einzugehen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Zustellung, VfGH / Klagen, Zivilrecht, Bereicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:A22.2004

Dokumentnummer

JFT_09949772_04A00022_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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