RS Vfgh 1996/12/9 B3549/95

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 09.12.1996
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK Art7
EMRK Art10
RAO §9
StPO §45 Abs3

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Veröffentlichung eines Interviews mit einem von ihm verteidigten Mandanten in einer Zeitschrift und in einem Fernsehbericht; keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit, des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebotes, der Privatsphäre und der Verfahrensgarantien der EMRK

Rechtssatz

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer das ihm als Verteidiger in §45 Abs3 StPO eingeräumte Recht, mit dem inhaftierten Mandanten allein zu konferieren, dazu benützt, um ohne Zustimmung des Untersuchungsrichters für eine Zeitschrift mit dem von ihm verteidigten Untersuchungshäftling ein unüberwachtes Interview mittelbar durchzuführen.

Ausgehend von diesem - unbestrittenen - Sachverhalt kann in der Rechtsansicht der OBDK, der Beschwerdeführer habe mit seiner Vorgangsweise in disziplinär zu ahndender Weise die in der StPO normierten untersuchungsrichterlichen Kontrollrechte umgangen, keine denkunmögliche Gesetzesauslegung erblickt werden: Ergibt sich doch bereits aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer sich die seinem Mandanten gestellten Fragen von einer Zeitschrift geben ließ, daß es sich nicht um eine Handlung gehandelt hat, die im Rahmen der Verteidigung notwendig war.

Der Gerichtshof vermag der OBDK aber auch nicht entgegenzutreten, wenn diese dem Beschwerdeführer zusätzlich zur Last legt, daß er durch seine Äußerungen in der ORF-Sendung "Schwarz auf Weiß" einer breiten Öffentlichkeit Kenntnis von seiner vorschriftswidrigen Aktion verschafft habe, und daraus ableitet, daß diese Vorgangsweise dem guten Ruf der Rechtsanwaltschaft abträglich war.

Keine Verletzung des Art7 EMRK.

Es muß einem Rechtsanwalt klar sein, daß jeder Verstoß gegen strafprozessuale Bestimmungen über die Ausübung der Verteidigerrechte sowie ein mediales Ausbreiten eines solchen Verhaltens durch einen Rechtsanwalt als Berufspflichtenverletzung und Verstoß gegen Ehre und Ansehen des Standes qualifizierbar ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Meinungsäußerungsfreiheit, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Verteidigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B3549.1995

Dokumentnummer

JFR_10038791_95B03549_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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