RS Vfgh 1997/6/26 G51/95, G85/96, G1/97, G10/97

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
WRG 1959 §32 Abs4
WRG 1959 §33g Abs3

Leitsatz

Aufhebung der durch die WRG-Novelle 1990 eingeführten erweiterten Bewilligungspflicht für Indirekteinleiter hinsichtlich der Einbringung kanalgefährlicher Stoffe in eine bewilligte Kanalisation; Unsachlichkeit der Festlegung von nicht im Bereich des Indirekteinleiters liegenden - nur die Rechtmäßigkeit der Betreibung der Kanalisationsanlage betreffenden - Kriterien für die Erteilung der Bewilligung

Rechtssatz

Die Anträge des VwGH zu G51/95 sind mangels Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung des §32 Abs4 WRG 1959 idF BGBl 252/1990 als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß §33g Abs3 WRG 1959 idF BGBl 185/1993 gelten Indirekteinleiter, für die mit 01.07.90 eine Bewilligungspflicht neu eingeführt wurde, "als bewilligt", wenn sie den für sie sonst geltenden Vorschriften gemäß betrieben werden. Diese "gesetzliche Fiktion der Bewilligung" bewirkt, daß entsprechende Einbringungen in bewilligte Kanalisationen rückwirkend (seit 01.07.90) als bewilligt zu betrachten und dementsprechend rechtlich zu behandeln sind. Angesichts der vom Gesetzgeber verfügten Rückwirkung der Bewilligungsfiktion ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die im Vergleich zur vorher geltenden Rechtslage erweiterte Bewilligungspflicht gemäß §32 Abs4 WRG 1959 idF BGBl 252/1990 bis 31.12.2002 nicht angewendet wissen will.

In seinen zu G85/96 und G1/97 protokollierten Anträgen ging der VwGH davon aus, daß die Anwendung des §33g Abs3 WRG 1959 schon deswegen nicht in Betracht komme, weil die Abwässereinbringung bereits aufgrund des §32 Abs4 WRG 1959 idF vor der WRG-Novelle 1990 bewilligungspflichtig gewesen sei.

Der Verfassungsgerichtshof vermag daher dem VwGH nicht entgegenzutreten, wenn dieser annimmt, daß er in den beiden Anlaßfällen die angefochtenen Wortfolgen im ersten Satz des §32 Abs4 WRG 1959 idF BGBl 252/1990 anzuwenden hat.

In einem bestimmten Ausmaß ist eine Änderung des Gesetzesinhalts die notwendige Folge einer Aufhebung (VfSlg. 6674/1972).

Dem Verfassungsgerichtshof erscheint es gerechtfertigt, den Primäranträgen des VwGH folgend, lediglich die die Bewilligungsfreiheit von Indirekteinleitungen beschränkenden Regelungen (- und damit die vom VwGH zur Aufhebung beantragten Wortfolgen -) und nicht den gesamten ersten Satz des §32 Abs4 WRG 1959 idF BGBl 252/1990 aufzuheben, da der Wille des Gesetzgebers primär auf die Bewilligungsfreiheit von Indirekteinleitungen, die mit Zustimmung des Kanalisationsunternehmens in bewilligte Kanalisationsanlagen vorgenommen werden, gerichtet war, und weil erst im Zuge der Wasserrechtsnovelle 1959, BGBl. 215, sowie dann der WRG-Novelle 1990 unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise eine Bewilligungspflicht von Indirekteinleitungen gesetzlich angeordnet wurde.

§32 Abs4 dritter Satz WRG 1959 ist mit dem ersten Satz untrennbar verbunden. Der dritte Satz enthält nämlich nicht nur eine Verordnungsermächtigung für den Landeshauptmann, sondern geht von der Bewilligungspflicht für Indirekteinleiter und (indem er davon eine Ausnahme statuiert) auch von der in Prüfung gezogenen Regelung des ersten Satzes des §32 Abs4 WRG 1959 aus.

Aufhebung von Wortfolgen im ersten Satz sowie des dritten Satzes des §32 Abs4 WRG 1959 idF der WRG-Novelle 1990, BGBl 252.

Durch die WRG-Novelle 1990 wurde der erste Satz des §32 Abs4 WRG 1959 dahin geändert, daß zusätzlich zu der, schon wegen der Verantwortlichkeit des Kanalisationsunternehmens erforderlichen Zustimmung zu Einbringungen in die für eine bestimmte Quantität und Qualität von Abwässern bewilligte Kanalisation den Indirekteinleiter eine besondere Bewilligungspflicht trifft, wenn er "kanalgefährliche Stoffe" einleitet. Diese Bewilligungspflicht des Indirekteinleiters ist sohin auch dann gegeben, wenn die von ihm einzuleitenden Abwässer bei der Auslegung und Bewilligung der Kanalisation berücksichtigt wurden, sofern es sich bei der Abwässereinbringung um an sich "kanalgefährliche Stoffe" handelt. Die die Bewilligungspflicht des "Indirekteinleiters" auslösende "Kanalgefährlichkeit" von Abwässereinleitungen kann sich dabei auch aus Umständen ergeben, die zu beeinflussen nicht im Bereich des oder der Indirekteinleiter liegt.

Es widerspricht dem Sachlichkeitsgebot des grundrechtlichen Gleichheitsschutzes, die Bewilligungspflicht des Indirekteinleiters von Kriterien abhängig zu machen, von denen nur die Rechtmäßigkeit der Betreibung der Kanalisationsanlage selbst abhängt, obwohl der Indirekteinleiter keine Möglichkeit hat, die Funktionsfähigkeit dieser Anlage sicherzustellen oder ihrem konsenswidrigen Betrieb abzuhelfen, der durch von ihm nicht zu beeinflussende Faktoren - etwa durch die Summierung von Einleitungen - verursacht sein mag. Damit wird nämlich die Bewilligungspflicht in Wahrheit von Bedingungen abhängig gemacht, deren Eintritt dem Indirekteinleiter nicht bekannt sein muß, geschweige denn von ihm verhindert werden kann. Die Verfassungswidrigkeit solcher Kriterien betrifft auch jenen Indirekteinleiter, der eine schon bisher bewilligungspflichtige Einleitung ohne Bewilligung vornimmt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rückwirkung, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang, Wasserrecht, Bewilligungspflicht (Wasserrecht), Kanalisation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G51.1995

Dokumentnummer

JFR_10029374_95G00051_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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