RS Vfgh 2002/6/29 G270/01 ua

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Veröffentlicht am 29.06.2002
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Index

31 Bundeshaushalt
31/01 Allgemeines Haushaltsrecht, Bundesbudget

Norm

B-VG Art42 Abs5
B-VG Art44 Abs3
B-VG Art51 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
BundesfinanzG 2002 ArtXI Abs1 Z1
BundesforsteG 1996 §1
F-VG 1922
ÜG 1920 §11 Abs2
ÜG 1920 §42

Leitsatz

Abweisung der Anträge der Salzburger Landesregierung auf Aufhebung der Ermächtigung des Finanzministers zur Veräußerung unbeweglichen Bundesvermögens bis zu einer bestimmten Obergrenze sowie der Übertragung des Eigentums an den Bundesforsten an den Bund aus Anlaß von Grundstücksverkäufen durch die Bundesforste-Aktiengesellschaft für den Ankauf von Seen; keine Verletzung des bundesstaatlichen Prinzips; endgültige Vermögensauseinandersetzung zwischen Bund und Ländern noch nicht erfolgt; Absicherung der Ansprüche der Länder durch die Substanzerhaltungspflicht bei Veräußerungen im Bundesforstegesetz

Rechtssatz

Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auf Antrag einer Landesregierung. Diese Anfechtungsbefugnis erstreckt sich auch auf Bundesverfassungsgesetze sowie auf das in Art51 Abs1 B-VG vorgesehene Bundesfinanzgesetz, das der Nationalrat im Rahmen seiner Mitwirkung an der Vollziehung des Bundes erläßt (vgl. VfSlg. 4340/1962, 5636/1967). Dem Antrag liegt ein Beschluß der Salzburger Landesregierung vom 13.07.01 zugrunde; das BundesfinanzG 2002 ist erst mit 01.01.02 in Kraft getreten. Da es nach der vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung für die Zulässigkeit eines Gesetzesprüfungsantrags im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle nicht schadet, daß eine angefochtene Gesetzesbestimmung erst nach dem Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft tritt (vgl. VfSlg. 14.187/1995, 15.773/2000 mwN), und da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge, soweit sie von der Salzburger Landesregierung nicht ohnehin zurückgezogen wurden und das Verfahren diesbezüglich (betr BundesfinanzG 2001) einzustellen ist, zulässig.

Abweisung der Anträge auf Aufhebung des ArtXI Abs1 Z1 BundesfinanzG 2002, BGBl I 38/2001, sowie des §1 Abs1 und Abs3 BundesforsteG 1996, BGBl 793.

Die ÖBF-AG (= Österr Bundesforste-Aktiengesellschaft) darf Veräußerungen von (bloß) verwalteten Liegenschaften lediglich im Namen und für Rechnung des Bundes und vom Umfang her nur insoweit vornehmen, als sie sich im Rahmen der dem Bundesminister für Finanzen im jährlichen Bundesfinanzgesetz (siehe ArtXI Abs1 Z1) eingeräumten Ermächtigung hält. Da diese Ermächtigung "unbeschadet Abs1 dritter Satz" erteilt wird, ist überdies der Erlös aus der Veräußerung solcher Liegenschaften zum Ankauf neuer Liegenschaften oder zur sonstigen Verbesserung der Vermögenssubstanz zu verwenden (siehe hiezu §1 BundesforsteG 1996 bzw hinsichtlich der Seen §1 Abs2a leg.cit).

Die in §11 Abs2 ÜG 1920 angekündigte Vermögensauseinandersetzung zwischen Bund und Ländern ist bis heute nicht erfolgt, im Hinblick auf die Staatsforste insbesondere auch nicht durch das BundesforsteG 1996 vorgenommen worden. Der Bund ist demnach im Bereich des ehemals staatlichen Vermögens einschließlich der Bundesforste (nach wie vor) zwar im Außenverhältnis Eigentümer, im Innenverhältnis gegenüber den Ländern jedoch bestimmten Bindungen unterworfen.

Die endgültige Auseinandersetzung - hinsichtlich des staatlichen Forstbesitzes - ist auch nicht durch die im Verfassungsrang stehenden Regelungen des BundesforsteG 1996 erfolgt.

Keine Bedenken im Hinblick auf Bestandsschutz des Art44 Abs3 B-VG.

Wenn in §1 Abs1 BundesforsteG 1996 - im Verfassungsrang - eine Substanzerhaltungspflicht für den Liegenschaftsbestand der ehemaligen Bundesforste verankert wird, so dient dies jedenfalls auch einer Absicherung der Rechte der Länder im Zusammenhang mit der noch ausstehenden Vermögensauseinandersetzung mit dem Bund.

§11 Abs2 ÜG 1920 ist so zu verstehen, daß zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über dieses Gesetz die Frage der endgültigen Aufteilung des ehemals staatlichen Vermögens auf Bund und Länder in Schwebe gelassen wurde.

Wenn der erste Halbsatz des §11 Abs2 ÜG 1920 daher anordnet, daß alles übrige Vermögen "Vermögen des Bundes" ist, so ist das im Hinblick auf den zweiten Halbsatz der Vorschrift so zu verstehen, daß der Bund bis zu dieser endgültigen (partnerschaftlichen) Auseinandersetzung nur im Außenverhältnis die Befugnisse eines Eigentümers ausüben kann, im Innenverhältnis - gegenüber den Ländern - jedoch hinsichtlich des diesen letztlich zustehenden Vermögensteiles gleichsam als Treuhänder anzusehen ist und daher wohl Maßnahmen einer ordentlichen Wirtschaftsführung setzen darf, nicht aber solche, die geeignet sind, die in Aussicht gestellte Vermögensauseinandersetzung - bezogen auf das jeweilige Bundesland - zu unterlaufen oder unmöglich zu machen.

Die in Aussicht genommene Vermögensauseinandersetzung ist auch nicht durch das F-VG 1922 - "Bundesverfassungsgesetz vom 3. März 1922 über die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden)" - erfolgt.

Der Gerichtshof schließt aus der historischen Entwicklung, daß die Regelung der wichtigsten Fragen der Finanzverfassung vorgezogen werden sollte, diese jedoch das Abgabenwesen (Verteilung der Besteuerungsrechte und Steuererträge) betrafen, weshalb offenbar auch bewußt im Titel des Gesetzes nicht - wie im ÜG 1920 wohl im Hinblick auf die ausstehende Vermögensteilung in Aussicht gestellt - auf eine "finanzielle Auseinandersetzung" Bezug genommen, sondern - treffender - von "finanziellen Beziehungen" gesprochen wurde.

Zur Streichung des in §42 ÜG 1920 enthaltenen Verweises auf das Bundesverfassungsgesetz über die finanzielle Auseinandersetzung zwischen dem Bund und den Ländern, beziehungsweise den Gemeinden (von dessen In-Geltung-Treten die Wirksamkeit der Kompetenzartikel des Bundes-Verfassungsgesetzes abhängig gemacht worden war) durch die Übergangsnovelle 1925, BGBl 269:

Das Inkraftsetzen der Kompetenzartikel des B-VG wurde durch eine Novellierung des §42 ÜG 1920 (ua Streichung des Verweises auf das BVG über die finanzielle Auseinandersetzung) und nicht - sozusagen automatisch - durch das Inkrafttreten dieses (und der anderen dort ursprünglich genannten) Verfassungsgesetze(s) bewirkt. Aus einer Novellierung des §42 ÜG 1920 kann aber nicht abgeleitet werden, daß mit dem F-VG 1922 die in §11 Abs2 ÜG 1920 angeschnittene Frage der Vermögensauseinandersetzung beantwortet wurde.

Im Gegensatz dazu die deutsche Rechtslage nach der Wiedervereinigung; Vermögensaufteilung erfolgt (siehe Art134 Grundgesetz).

Keine Bedenken gegen die Ermächtigung des Finanzministers zur Veräußerung unbeweglichen Bundesvermögens in ArtXI Abs1 Z1 BundesfinanzG 2002 im Hinblick auf die Pflicht zur Substanzerhaltung in §1 Abs1 BundesforsteG 1996.

Die Seen befinden sich nunmehr im Liegenschaftsbestand nach §1 Abs1 leg.cit., stehen somit (nach wie vor) im Eigentum des Bundes und nicht der ÖBF-AG, und werden von dieser jedoch verwaltet, womit sie nunmehr ebenfalls der aus dem letzten Satz dieser Vorschrift iVm Abs2a abzuleitenden Substanzerhaltungspflicht unterliegen.

Selbst wenn mit der Verwendung des Erlöses aus den durch ArtXI BundesfinanzG 2002 ermöglichten Grundstücksverkäufen gegen die Substanzerhaltungspflicht nach §1 Abs1 BundesforsteG 1996 verstoßen wurde (weil diese Erlöse - im Ergebnis - zum Ankauf von Grundstücken verwendet wurden, die ohnehin schon im Eigentum des Bundes standen), wäre dies (nur) ein Defizit im Normvollzug.

§11 Abs2 ÜG 1920 kann allerdings nicht der Inhalt beigelegt werden, daß die Länder bei einer Vermögensauseinandersetzung Anspruch auf \bertragung des seinerzeit auf ihrem Landesterritorium befindlichen ehemals staatlichen Liegenschaftsvermögens in vollem Umfang in natura hätten. Einer Berücksichtigung von Liegenschaftsverkäufen in einem Umfang, wie er hier maßgebend ist, bei einer späteren Vermögensauseinandersetzung (etwa durch Veränderung der im Bundesland Salzburg gelegenen Teilungsmasse zulasten des Bundes, mit Hilfe einer Ausgleichszahlung oder durch andere Instrumente) steht aber offenbar nichts im Wege.

Keine Verfassungswidrigkeit des ArtXI Abs1 Z1 BundesfinanzG 2002 wegen Mitwirkung des Bundesrats an der parlamentarischen Beschlußfassung.

Die materiellrechtliche Grundlage für die beanstandeten Verfügungen über Bundesvermögen ist in §1 BundesforsteG 1996 zu erblicken und diese Vorschrift war als nicht dem Art42 Abs5 B-VG unterliegende Norm Gegenstand der parlamentarischen Behandlung und Beschlußfassung auch im Bundesrat.

Entscheidungstexte

  • G 270/01 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 29.06.2002 G 270/01 ua

Schlagworte

Bundesforste, Bundesrat, Bundesstaat, Bundesvoranschlag, Finanzverfassung, Haushaltsrecht, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Grundprinzipien der Verfassung, Bundesstaatsprinzip, Verfassungsüberleitung, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G270.2001

Dokumentnummer

JFR_09979371_01G00270_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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