RS Vfgh 2002/9/25 B110/02 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 25.09.2002
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art20 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
StGG Art6 / Erwerbsausübung
EMRK Art10
BVG-Rundfunk ArtI
KommAustria-G §1 Abs2
KommAustria-G §11 ff
KommAustria-G §11 Abs3
KommAustria-G §12 Abs1
KommAustria-G §12 Abs4
KommAustria-G §13
ORF-G §3
PrivatradioG §6
PrivatradioG §10 Abs3
Frequenznutzungsplan, BGBl II 112/2000

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Zulassung einer Gesellschaft zur Veranstaltung von privatem Hörfunk und gleichzeitige Abweisung der Bewerbung anderer, teils früherer Betreiber von Privatradios; keine Bedenken gegen die Einrichtung des Bundeskommunikationssenates als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag; keine Bedenken gegen seine Zusammensetzung sowie das qualifizierte Beschlußquorum; Unbedenklichkeit der Nominierung eines zusätzlichen richterlichen Mitglieds durch die Bundesregierung; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und der Rundfunkfreiheit durch Zuweisung von Frequenzen an den ORF; kein Verstoß der im Privatradiogesetz festgelegten Auswahlgrundsätze gegen das Legalitätsprinzip

Rechtssatz

Gemäß §11 Abs3 KommAustria-G unterliegen die Entscheidungen des Bundeskommunikationssenates nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist sohin erschöpft (vgl. zB VfSlg. 14499/1996, 15668/1999).

Der VfGH kann nicht finden, daß die vom Gesetzgeber gewählte Behördenkonstruktion verfassungswidrig wäre. Anders als die gemäß §13 RegionalradioG eingerichtete Privatrundfunkbehörde entscheidet der Bundeskommunikationssenat in zweiter und letzter Instanz als Berufungsbehörde gegenüber einer monokratisch eingerichteten und dem Bundeskanzler unterstellten Verwaltungsbehörde (vgl. §3 Abs3 KommAustria-G). Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist ausdrücklich für zulässig erklärt (vgl. §11 Abs3 KommAustria-G).

§12 Abs4 KommAustria-G sieht hinreichende materielle Kriterien für die bei Erstellung der Besetzungsvorschläge zu treffende Auswahlentscheidung vor. Damit ist das den Präsidenten des OGH und des OLG Wien eingeräumte Auswahlermessen hinreichend bestimmt.

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge unrichtiger Zusammensetzung des Bundeskommunikationssenates.

Die Entscheidung des Bundeskommunikationssenates erging in einer §12 Abs1 KommAustria-G entsprechenden Besetzung, dh. von fünf Mitgliedern, von denen nicht weniger als drei Richter sind.

Die Bundesregierung war bei der Auswahl der von ihr dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorzuschlagenden Mitglieder ausschließlich an die in §12 Abs4 KommAustria-G festgelegten Kriterien gebunden. Es stand ihr daher frei, für die Position jener Mitglieder und Ersatzmitglieder, hinsichtlich derer sie nicht an die Vorschläge der Gerichtspräsidenten gebunden ist, auch eine Person, die Richter ist, dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorzuschlagen.

Die Anzahl von drei richterlichen Mitgliedern ist als ein quantitatives Mindesterfordernis zu verstehen, das keinesfalls unterschritten, aber gegebenenfalls überschritten werden darf.

Keine Bedenken gegen die gemäß §13 KommAustria-G für eine Entscheidung des Bundeskommunikationssenates bei Anwesenheit aller Mitglieder erforderliche 2/3-Mehrheit, wobei Stimmenthaltungen nicht zulässig sind.

Hinweis auf Art20 Abs2 B-VG und den eindeutigen Wortlaut des §12 Abs1 KommAustria-G, wonach die Mitglieder des Bundeskommunikationssenates in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen und Aufträge gebunden sind.

Die Unabhängigkeit von Art133 Z4 B-VG-Behörden ist schon dann gewährleistet, wenn an der Entscheidung wenigstens ein Richter mitgewirkt hat.

Daß im vorliegenden Verfahren eine tatsächliche Abhängigkeit eines Mitgliedes des Bundeskommunikationssenates vorgelegen hätte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Weder unter dem Gesichtspunkt der Rundfunkfreiheit noch der Erwerbsausübungsfreiheit bestehen Bedenken dagegen, daß dem ORF gemäß §10 Abs3 PrivatradioG im Frequenznutzungsplan, BGBl II 112/2000, Frequenzen für drei bundesweite sowie neun Bundesländerprogramme zugewiesen wurden.

Im UKW-Frequenzbereich kann aus technischen Gründen nur eine bestimmte Zahl von Programmen ausgestrahlt werden. Angesichts dieser frequenztechnischen Situation hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, individuelle Rundfunkfreiheit zunächst im Bereich des - aufgrund des geringeren Frequenzbedarfs leichter herstellbaren - lokalen und regionalen Rundfunks zu gewährleisten und erst in einem zweiten Schritt nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten bundesweites Privatradio zu ermöglichen. Diese Vorgangsweise steht nach der Rechtsprechung des EGMR und des Verfassungsgerichtshofes in Einklang mit Art10 EMRK. Die Verpflichtung, den technischen Versorgungsgrad der Programme des ORF im Umfang des §3 ORF-G beizubehalten, ergibt sich aus dem aus ArtI BVG-Rundfunk iVm §3 ORF-G erfließenden Versorgungsauftrag des ORF.

Da die Auswahlentscheidung auf Grundlage des §5, §7, §8, §9, §16 und §17 PrivatradioG zu treffen ist, kann der Verfassungsgerichtshof gerade auch vor dem Hintergrund einer systematischen Gesamtschau der genannten Bestimmungen nicht finden, daß die von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Unbestimmtheit vorläge. Auch scheinen die einzelnen Auswahlkriterien mit Blick auf die vom Gesetzgeber mit dem PrivatradioG insgesamt verfolgte Absicht, einen leistungsfähigen und in seinem Bestand kontinuierlichen Privatradiobetrieb sicherzustellen, der die bestmögliche Gewähr für größtmögliche Meinungsvielfalt bieten soll, sachgerecht. Daß das Ziel der Investitionssicherung (nur) eines von mehreren der mit §6 Abs2 PrivatradioG verfolgten Zielen darstellt, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; dies so vorzusehen, fällt in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat daher verfassungskonform ein variables Beurteilungsschema gewählt, das im Hinblick auf die in §6 PrivatradioG angeführten Ziele eine Quantifizierung und einen Vergleich der einzelnen Bewerber zuläßt.

Es ist nichts hervorgekommen, was den Vorwurf der zu B110/02 beschwerdeführenden Gesellschaft erhärtet hätte, daß die belangte Behörde ihre bisherige Sendetätigkeit (im Versorgungsgebiet "Wien 92,9 MHz") nicht berücksichtigt und dadurch Willkür geübt hätte.

Die belangte Behörde hat hinreichend dargetan, warum sie §7 Abs4 dritter Satz und §9 Abs1 letzter Satz PrivatradioG bei ihrer Auswahlentscheidung nicht anzuwenden hatte.

Entscheidungstexte

  • B 110/02 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 25.09.2002 B 110/02 ua

Schlagworte

Determinierungsgebot, Erwerbsausübungsfreiheit, Kollegialbehörde, Legalitätsprinzip, Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunk, KommAustria, Privatradio, Verwaltungsgerichtshof Zuständigkeit, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B110.2002

Dokumentnummer

JFR_09979075_02B00110_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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