RS Vfgh 2006/11/27 B1084/06

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Veröffentlicht am 27.11.2006
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97 Öffentliches Auftragswesen
97/01 Öffentliches Auftragswesen

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §13 Abs3
BundesvergabeG 2006

Leitsatz

Verletzung im Recht auf den gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Nachprüfungsantrags in einem Vergabeverfahren wegen unrichtiger Bezeichnung des Antragsgegners (Amt der Landesregierung statt Bundesland) durch denkunmögliche Gesetzesauslegung; fehlerhafte Parteibezeichnung behebbarer Formmangel im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze; Irrtum durch Auftraggeber in der Ausschreibung mitverursacht

Rechtssatz

Wenn die Beschwerdeführerin (in gleicher Weise wie in der Ausschreibung) das Amt der Tiroler Landesregierung, also ein Organ des Landes Tirol, als öffentlichen Auftraggeber und damit als Antragsgegner bezeichnet, so kann damit nur dessen Rechtsträger, nämlich das Land Tirol gemeint sein.

Im übrigen verkennt die belangte Behörde völlig Sinn und Zweck von §13 Abs3 AVG. Es ist der eigentliche Zweck von §13 Abs3 AVG, einer Partei Gelegenheit zu geben, allfällige Mängel in schriftlichen Anbringen, wie etwa eine irrtümlich fehlerhafte Parteibezeichnung, zu korrigieren. Dies muss umso mehr gelten, wenn der Auftraggeber selbst nahezu durchgehend den Auftraggeber falsch bezeichnet bzw nicht eindeutig kenntlich macht, wer eigentlich Vertragspartner werden soll. Das BundesvergabeG 2006, BGBl I 17/2006, unterscheidet zwar zwischen vergebender Stelle und öffentlichem Auftraggeber, der Begriff der "ausschreibenden Stelle", der in den Ausschreibungsunterlagen gebraucht wurde, ist dem BundesvergabeG jedoch fremd. Als solche wurde das Amt der Tiroler Landesregierung bezeichnet.

Das Land Tirol wurde im gesamten Verfahren nur in der Zuschlagsentscheidung erwähnt. Insofern ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Irrtum der Beschwerdeführerin über die Bezeichnung des Auftraggebers von der Antragsgegnerin zumindest mitverursacht wurde. Dass in so einem Fall eine amtswegige Umdeutung oder ein Auftrag zur Mängelbehebung nicht in Frage komme, unterstellt §13 Abs3 AVG einen verfassungswidrigen Inhalt.

Eine nicht verfassungskonforme Auslegung eines Gesetzes ist der Denkunmöglichkeit gleichzuhalten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Eingaben, Formgebrechen, Vergabewesen, Auslegung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B1084.2006

Dokumentnummer

JFR_09938873_06B01084_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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