RS Vfgh 2008/6/21 G26/07, V26/07

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Veröffentlicht am 21.06.2008
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z7
B-VG Art10 Abs1 Z14
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art129a Abs1 Z3
Richtlinien-Verordnung BGBl 266/1993 gem §31 SicherheitspolizeiG
SicherheitspolizeiG §31, §89
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zulässigkeit des Antrags eines Unabhängigen Verwaltungssenates aufAufhebung der gesetzlichen Grundlage der Erlassung von Richtlinienauf dem Gebiet der Sicherheitspolizei; Verweisung auf bereits imvorliegenden Antrag vorgebrachte Bedenken hier zulässig zurVermeidung von Wiederholungen; zulässiger Anfechtungsumfanghinsichtlich der allgemeinen Verordnungsermächtigung und nichtlediglich des im Anlassfall relevanten Punktes der demonstrativenAufzählung von Regelungsgegenständen der Richtlinien; keineKompetenzwidrigkeit der Verordnungsermächtigung bei einschränkenderverfassungskonformer Interpretation; Erlassung der Richtlinienentweder im Rahmen der Organisationskompetenz zur Regelung desinneren Dienstes von Wachkörpern oder im Rahmen des vom(Gemeinde)Wachkörper vollzogenen Gesetzes gegeben, beschränkt aufMaterien der Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags eines Unabhängigen Verwaltungssenates (UVS) auf Aufhebung des §31 und des §89 Abs4 und Abs5 SicherheitspolizeiG idF BGBl I 56/2006 betreffend die Erlassung von Richtlinien für das Einschreiten von Organen des Sicherheitsdienstes bzw die Kompetenz des UVS zur Feststellung einer Verletzung der Richtlinien.

Hinreichende Darlegung der Bedenken im Einzelnen iSd §62 Abs1 VfGG.

Hinsichtlich §89 Abs4 SicherheitspolizeiG führt der antragstellende UVS zwar nur aus, dass die gleichen Bedenken wie gegen §31 SicherheitspolizeiG "sinngemäß" bestünden. §89 Abs4 SicherheitspolizeiG begründet nämlich bloß die Zuständigkeit des UVS zur Entscheidung über die Verletzung jener Richtlinien, die auf Grundlage des §31 Abs1 SicherheitspolizeiG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit der UVS Bedenken hat, ergangen sind. Die Darlegung von Bedenken gegen §89 Abs4 SicherheitspolizeiG müsste sich zwangsläufig in der Wiederholung der Bedenken gegen §31 Abs1 SicherheitspolizeiG erschöpfen. Außerdem auch weiteres konkretes Bedenken hinsichtlich des Fehlens einer verfassungsrechtlichen Grundlage angeführt.

Kein zu weit gefasster Anfechtungsumfang.

Anlassfall zwar nur auf §31 Abs2 Z8 SicherheitspolizeiG (Beiziehung einer Vertrauensperson) bezogen, allgemeine Verordnungsermächtigung jedoch in §31 Abs1 (Abs2 nur demonstrative Aufzählung); Erlassung einer Richtlinienbestimmung daher auch ohne §31 Abs2 Z8 zulässig, Aufhebung der allgemeinen Verordnungsermächtigung zur Beseitigung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit erforderlich.

Keine Kompetenzwidrigkeit der Ermächtigung zur Erlassung einer Richtlinien-Verordnung in §31 Abs1 SicherheitspolizeiG; keine Verfassungswidrigkeit daher auch des §89 Abs4 leg cit; keine Gesetzwidrigkeit der Richtlinien-Verordnung, da Bedenken nur gegen die Rechtsgrundlage der Verordnung gerichtet.

Richtlinien-Verordnung insoweit im Rahmen des Kompetenztatbestandes des Art10 Abs1 Z14 B-VG, als sie Angelegenheiten des "inneren Dienstes" zum Gegenstand hat; Verordnungsermächtigung nicht auf umfassende Ermächtigung zur Regelung des Dienstbetriebes gerichtet.

Soweit in §31 Abs2 SicherheitspolizeiG auf bestimmte Befugnisse Bezug genommen wird (Z3, Z4) oder auf (Grund)Rechtseingriffe (Z6, Z7) bzw bestimmte Fälle (Z8) Bezug genommen wird, knüpft der Gesetzgeber an das jeweilige Materiengesetz an und ist die Gesetzgebungskompetenz insoweit nicht in Art10 Abs1 Z14 B-VG, sondern in den entsprechenden Kompetenztatbeständen begründet.

Die Verordnungsermächtigung des §31 Abs1 SicherheitspolizeiG erstreckt sich nicht auf den inneren Dienst anderer als der in Art10 Abs1 Z14 B-VG genannten Wachkörper.

Keine Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung auch insoweit, als sie auf andere Kompetenztatbestände etwa aus der Sicherheitsverwaltung (Art10 Abs1 Z7 B-VG) gestützt ist. Der Bundesgesetzgeber ist in diesen Fällen zuständig, zur Erlassung einer Richtlinien-Verordnung mit der Wirkung zu ermächtigen, dass insoweit alle Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, mithin auch Gemeindewachkörper, soweit sie in Angelegenheiten der Bundesvollziehung einschreiten, gebunden werden. Die Ermächtigung (und Verpflichtung) in §31 Abs2 SicherheitspolizeiG, zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen vorzusehen, dass der Betroffene "in bestimmten Fällen" auf sein Recht auf Beiziehung eines Rechtsbeistandes hinzuweisen ist und dass er deren Verständigung verlangen kann (Z8), ist von der Kompetenz der jeweils vollzogenen Materie erfasst.

Beschränkung der Verordnungsermächtigung auf Materien, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind, soweit Richtlinienbestimmungen nicht auf die Organisationskompetenz gestützt sind.

Verfassungswidrigkeit der Regelung bei weiter gehendem Verständnis der Verordnungsermächtigung, verfassungskonforme Interpretation jedoch geboten.

Keine fehlende verfassungsrechtliche Grundlage für eine Zuständigkeit des UVS zur Entscheidung über eine Verletzung einer Richtlinie durch ein Organ einer Gemeindesicherheitswache (siehe Art129a Abs1 Z3 B-VG).

Entscheidungstexte

  • G 26/07,V 26/07
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 21.06.2008 G 26/07,V 26/07

Schlagworte

Polizei, Sicherheitspolizei, Beschwerderecht, Rechtsschutz, VfGH /Bedenken, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Prüfungsumfang, KompetenzBund - Länder Polizeirecht, Annexmaterie, Behördenorganisation,Unabhängiger Verwaltungssenat, Zuständigkeit, Auslegungverfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:G26.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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