TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/17 B104/77

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Veröffentlicht am 17.10.1980
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

StGG Art5
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3 idF BGBl 225/1962

Leitsatz

Grunderwerbsteuergesetz, keine Bedenken gegen §4 Abs1 Z3; keine denkunmögliche Anwendung; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Die Beschwerdeführerin errichtete als Bauherr auf der Liegenschaft EZ 726 der KG VI Jakomini-Graz ein Wohnhaus mit Eigentumswohnungen, welches im Winter 1963/64 fertiggestellt wurde. Mit Bescheid der Stmk. Landesregierung vom 5. März 1968 wurde der Beschwerdeführerin die Gemeinnützigkeit zuerkannt.

Mit Kaufvertrag vom 7. November 1969 hat eine dritte Person von der Beschwerdeführerin Anteile an der oben genannten Liegenschaft erworben.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 1975 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Graz der Beschwerdeführerin gemäß §17 Z1 des Grunderwerbsteuergesetzes, BGBl. 140/1955 (GrEStG) hiefür Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 24.534,- vor. Das Finanzamt begründete seine Entscheidung damit, gemäß §4 Abs1 Z3 litb GrEStG (in der Fassung der Novelle BGBl. 225/1962) sei der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine in lita genannte Vereinigung oder ein gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen hat, durch eine Person, die den Anteil zur Begründung von Wohnungseigentum erwirbt, von der Besteuerung ausgenommen. Das auf der gegenständlichen Liegenschaft errichtete Wohnhaus sei "im Oktober 1963/Jänner 1964" bezugsfertig hergestellt gewesen. Die Beschwerdeführerin sei zur Zeit der Schaffung dieses Wohnhauses weder ein gemeinnütziger Bauträger noch eine Vereinigung iS des §4 Abs1 Z3 lita GrEStG gewesen. Die Befreiung gemäß §4 Abs1 Z3 litb des genannnten Gesetzes könne daher nicht gewährt werden. Die Befreiung nach §4 Abs1 Z3 lita GrEStG könne nicht zum Zuge kommen, da das Wohnhaus zum Zeitpunkt der Veräußerung bereits geschaffen gewesen sei. Daß die Veräußerin im Zeitpunkt des Abschlusses als gemeinnütziger Bauträger anzusehen gewesen sei, sei nach dem Wortlaut des §4 Abs1 Z3 litb GrEStG ohne Bedeutung.

b) Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Stmk. vom 28. Jänner 1977 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, Gleichheit vor dem Gesetz sowie "des Rechtes auf gesetzmäßige Verwaltung nach Art18 B-VG" verletzt erachtet und die Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach §4 Abs1 Z3 GrEStG in der Fassung der Novelle BGBl. 225/1962 sind von der Besteuerung ausgenommen:

"3. beim Wohnungseigentum

a) der Erwerb eines Grundstücksanteiles von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum oder von einem gemeinnützigen Bauträger durch eine Person, die zur Schaffung eines Wohnhauses und zur Begründung des Wohnungseigentums den Grundstücksanteil erwirbt,

b) der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine in lita genannte Vereinigung oder ein gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen hat, durch eine Person, die den Grundstücksanteil zur Begründung von Wohnungseigentum erwirbt".

Gegen diese Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sind verfassungsrechtliche Bedenken weder vorgebracht worden noch beim VfGH entstanden (siehe auch VfSlg. 7811/1976 und die dort angeführte Vorjudikatur).

2. Unbestritten ist, daß der Kaufvertrag vom 7. November 1969 eine fertige Eigentumswohnung betroffen hat und daß daher die Grunderwerbsteuerbefreiung nach §4 Abs1 Z3 lita GrEStG von vornherein nicht in Betracht zu ziehen war.

Die belangte Behörde ist - gestützt auf die ständige Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (worauf noch zurückzukommen sein wird) - davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Statuten vor dem Zeitpunkt der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit am 5. März 1968 keine begünstigte Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum, aber auch kein gemeinnütziger Bauträger iS der Z3 des §4 Abs1 des genannten Gesetzes gewesen sei. Die Behörde begründete diesen Standpunkt damit, der VwGH habe im Erk. vom 21. Mai 1970, Z 795/70, auf Grund einer Beschwerde der Beschwerdeführerin deren Statuten einer eingehenden Prüfung unterzogen und sei zu dem Schluß gelangt, daß die Schaffung von Wohnungseigentum zwar eine von mehreren Vereinsaufgaben, aber keineswegs die Hauptaufgabe der Beschwerdeführerin sei.

Im angefochtenen Bescheid wird daraus die Schlußfolgerung gezogen, die Beschwerdeführerin habe demnach nicht als begünstigte Vereinigung iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG im Jahre 1964 das strittige Wohnhaus geschaffen. Daß die Beschwerdeführerin im Jahre 1969 im Zeitpunkt der Veräußerung der ideellen Anteile an die dritte Person ein gemeinnütziger Bauträger war, sei nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes für die Beurteilung der Frage der Steuerfreiheit gemäß §4 Abs1 Z3 litb GrEStG ohne Bedeutung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes und in Anlehnung an das Erk. des VwGH vom 9. Feber 1967, Z 1370/66, sei allein entscheidend, ob eine Vereinigung mit der statutenmäßigen Hauptaufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum oder ein gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen hat. Ob in weiterer Folge sich dieser Status beim veräußernden Unternehmen ändert und ob, wie im vorliegenden Falle, das seinerzeit nicht begünstigte Unternehmen im Zeitpunkt des Abverkaufes als begünstigtes Unternehmen anzusehen sei, sei für die Beurteilung der Frage der Steuerfreiheit ohne Bedeutung.

3. a) Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8083/1977) durch den in ihr Eigentum eingreifenden Bescheid nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

Der VfGH hat in ständiger Judikatur (VfSlg. 6079/1969, 6588/1971, 6670/1972, 7354/1974 und 7811/1976) erkannt, daß es durchaus denkmöglich ist, unter "statutenmäßige Aufgabe" die statutenmäßige Hauptaufgabe zu verstehen, wie dies der VwGH in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck brachte (vgl. zB VwSlg. 2684 F/1962; Erk. vom 21. Mai 1970 Z 795/70, vom 22. April 1971 Z 531/70, vom 7. Feber 1974 Z 418/73 und vom 27. September 1974 Z 110/74).

Der VwGH ist mit dem Erk. eines verstärkten Senates, VwSlg. 5085 F/1977, von dieser seiner ständigen Rechtsprechung abgegangen und vertritt nicht mehr die Meinung, daß die Schaffung von Wohnungseigentum die statutengemäß überwiegende Aufgabe der Vereinigung bilden müsse; die Voraussetzung des §4 Abs1 Z3 GrEStG ist nach der nunmehr vertretenen Ansicht des VwGH bereits dann erfüllt, wenn die Schaffung von Wohnungseigentum eine statutenmäßige Aufgabe der Vereinigung bildet.

Der VfGH sieht weder auf Grund der Änderung der Rechtsprechung des VwGH noch auf Grund des diesbezüglichen Vorbringens in der Beschwerde (mit welchem das bereits oben angeführte Erk. des VwGH vom 21. Mai 1970 als unrichtig kritisiert wird) einen Anlaß, von seiner Rechtsprechung zu dieser Frage abzugehen, weil keine Rede davon sein kann, daß die vom VwGH in langjähriger ständiger Rechtsprechung vorgenommene Auslegung des Gesetzes als geradezu denkunmöglich zu qualifizieren wäre. Ob die auf die seinerzeitige Rechtsprechung des VwGH gestützte Auffassung der belangten Behörde richtig ist, hat der VfGH nicht zu beurteilen.

b) Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, ein Wohnobjekt gelte dann als geschaffen, wenn die baulichen Arbeiten beendet sind, ist sicherlich denkmöglich (vgl. VwSlg. 1985 F/1963). Entscheidend im vorliegenden Fall ist aber, ob die Eigenschaft als Vereinigung iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG bereits im Zeitpunkt der Schaffung des Wohnobjektes oder erst im Zeitpunkt des ersten Erwerbes eines Anteiles vorliegen muß, um den Steuerbefreiungstatbestand des §4 Abs1 Z3 litb GrEStG zu verwirklichen.

Die Behörde hält - ausgehend vom Wortlaut des Gesetzes und dem Erk. des VwGH vom 9. Feber 1967, Z 1370/66 - allein den Umstand für entscheidend, ob das Wohnhaus von einer iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG begünstigten Vereinigung geschaffen wurde; maßgeblich für die Beurteilung der Frage der Steuerfreiheit sei nur der Zeitpunkt der Schaffung des Wohnobjektes, nicht aber der des Erwerbes einer Wohnung.

Die Beschwerdeführerin meint dagegen, es sei verfehlt, daß die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit im März 1968 ohne Bedeutung für die Beurteilung der beanspruchten Steuerbefreiung im vorliegenden Fall sein solle. Die Behörde übersehe völlig, daß es sich hier nicht um die Zuerkennung oder Ablehnung von irgendwelchen finanziellen Förderungsmitteln für die Kosten der Errichtung und Fertigstellung eines Wohnhauses handle, sondern um die Frage einer Abgabenbefreiung bei einem Erwerbsvorgang nach dem GrEStG. Daß in diesem Fall jedoch immer auf den Zeitpunkt des Rechtsgeschäftes abzustellen sei, ergebe sich mit aller Klarheit schon aus der Bestimmung des §1 GrEStG, wonach bestimmte Rechtsvorgänge (und nicht etwa Bauvorhaben) diesem Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen unterliegen oder wegen einer Ausnahme von der Besteuerung nicht unterliegen. Im Zeitpunkt des Erwerbsvorganges vom 7. November 1969 seien aber alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der beantragten Steuerbefreiung erfüllt gewesen, weil von der Beschwerdeführerin als einem als gemeinnützig anerkannten Unternehmen ein Anteil eines Grundstückes, auf welchem die Beschwerdeführerin selbst ein Wohnhaus geschaffen habe, durch eine Person erworben worden sei, welche diesen Grundstücksanteil zur Begründung von Wohnungseigentum verwendet habe.

Zunächst sei bemerkt, daß sich die hier aufgeworfene Frage nicht stellen würde, wenn man, der neuen Rechtsprechung des VwGH folgend (siehe oben unter lita), davon ausgehen müßte, daß die Beschwerdeführerin schon vor dem 5. März 1968 eine gemäß §4 Abs1 Z3 GrEStG begünstigte Vereinigung war; dies zu beurteilen ist aber nicht Sache des VfGH, sondern eine Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Auf der Basis der Rechtsprechung des VwGH vor dessen Erk. VwSlg. 5085 F/1977 und jener des VfGH (VfSlg. 7811/1976) ist aber auf die vorerwähnte Frage einzugehen. Auf ihrer Grundlage ist die Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht denkunmöglich. Der Behörde ist zuzubilligen, daß der Wortlaut des §4 Abs1 Z3 litb GrEStG ("der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine ... Vereinigung oder ein gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen hat") die Auslegung noch vertretbar erscheinen läßt, der Bauträger müsse bereits im Zeitpunkt der Schaffung (also Fertigstellung) des Wohnhauses begünstigt iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG gewesen sein.

Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im Eigentumsrecht nicht verletzt worden.

4. Willkür und damit einen Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht (vgl. zB VfSlg. 7996/1977) wirft die Beschwerdeführerin der Behörde mit der Begründung vor, die Behörde sei entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben von ihrer durch fast ein Jahrzehnt geübten Praxis abgegangen. Die Beschwerdeführerin führt allerdings nicht näher aus, inwiefern die Behörde gegen Treu und Glauben verstoßen haben soll.

Auf dieses Vorbringen ist deshalb nicht weiter einzugehen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 7988/1977, 14. 3. 1980 B503/77), die Änderung der Praxis einer Behörde für sich allein niemals den Gleichheitsgrundsatz verletzen würde.

5. Art18 Abs1 B-VG, wonach die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf, beinhaltet nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (siehe zB VfSlg. 7429/1974, 7895/1976) kein subjektives Recht.

Die Beschwerdeführerin kann daher durch den angefochtenen Bescheid in einem solchen Recht nicht verletzt worden sein.

6. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Grunderwerbsteuer, Wohnungseigentum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B104.1977

Dokumentnummer

JFT_10198983_77B00104_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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