TE Vfgh Beschluss 1983/3/1 B542/78

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Veröffentlicht am 01.03.1983
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

VfGG §19 Abs3 Z3
WRG 1959 §122 Abs3
WRG 1959 §122 Abs5

Leitsatz

WRG 1959; außer Wirksamkeit getretene einstweilige Verfügung nach §122 Abs5 kein tauglicher Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens mehr

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat mit Bescheid vom 30. Oktober 1970 auf Antrag der Stadt Wien gemäß §100 Abs2 WRG 1959 das Vorhaben der Stadt Wien, aus zwei Horizontalfilterbrunnen in Moosbrunn Wasser zu entnehmen und es zur Versorgung der Bevölkerung nach Wien zu leiten, einschließlich der zum Ausgleich des Grundwasserhaushaltes angestrebten Grundwasseranreicherung als bevorzugten Wasserbau erklärt. Ferner hat er mit Bescheid vom 14. Juli 1971 die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausführung des geplanten Grundwasserwerkes Mitterndorfer Senke nach Maßgabe des eingereichten Projektes sowie einer Reihe von Bestimmungen, Bedingungen und Auflagen erteilt; die Entscheidung über noch vorzulegende Detailprojekte wurde vorbehalten (Näheres zum Sachverhalt im Erk. VfSlg. 6664/1972). Die in dem Bewilligungsbescheid für den Baubeginn und für die Bauvollendung bestimmten Fristen sind wiederholt erstreckt worden. Mit Bescheid vom 8. Jänner 1979 wurde die Bauvollendungsfrist bis 31. Dezember 1980 verlängert.

Die wasserrechtliche Genehmigung zur Ausführung des Detailprojekts "F - 2. Teil, Transportleitung 1400 mm und Fernmeldekabel" wurde mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 18. Dezember 1974, Z 96505/963-88424/74, nach Maßgabe der Projektsbeschreibung unter zahlreichen Bedingungen und Auflagen erteilt. Nach den besonders gekennzeichneten Projektsunterlagen werden unter anderem Teile der Grundstücke Nr. 1549 EZ 66 und Nr. 1551 EZ 83, beide KG Himberg, beansprucht. Die neben dem Rohrstrang liegenden Grundflächen sind im Detail als "Servitutsstreifen für Bestand und Betrieb" des Rohrstranges und "Grundinanspruchnahme für Deponieflächen auf Baudauer" ausgewiesen (Mappe 4, Maßstab 1:2000).

Die in dem Bescheid bestimmten Fristen sind für den Baubeginn mit Bescheid vom 11. Juni 1975 um 1 Jahr und für die Bauvollendung mit Bescheid vom 8. Jänner 1979 bis 31. Dezember 1980 verlängert worden.

Zur Zeit der Bescheiderlassung gehörte nach dem Inhalt der Akten das Grundstück Nr. 1549 der Marktgemeinde Himberg und das Grundstück Nr. 1551 R. B. Die Stadt Wien hatte mit beiden Grundeigentümern Servitutsverträge abgeschlossen. Das Grundstück Nr. 1549 ist später gleichfalls auf R. B. übergegangen und der EZ 1347 zugeschrieben worden, ohne daß die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen worden wäre. Die Beschwerdeführerin dieses Verfahrens ist Rechtsnachfolgerin des im Jahre 1976 verstorbenen R. B. im Eigentum an beiden Grundstücken.

2. Da sich die Stadt Wien mit ihr über die Inanspruchnahme der Grundstücke nicht einigen konnte, stellte die Stadt Wien am 10. April 1978 beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß §122 Abs3 WRG den Antrag, der Beschwerdeführerin aufzutragen,

"die Beanspruchung der Grundstücke 1549 EZ 1347 und 1551 EZ 83, beide in KG Himberg, durch Vornahme der erforderlichen Vermessungs- und Vermarkungsarbeiten, sowie die Durchführung der Rohrlegungs- und Fernmeldekabelverlegungsarbeiten zu den in den beiden, der Grundeigentümerin bekannten Bedingungen der Servitutsverträge zu dulden".

Am 24. April 1978 beantragte sie beim Amt der Nö. Landesregierung unter Bezugnahme auf die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Juli 1971 und vom 18. Dezember 1974 die Einleitung des Enteignungsverfahrens zur zwangsweisen Einräumung einer Wasserleitungsdienstbarkeit auf den Grundstücken Nr. 1549 und 1551.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat am 2. Mai 1978 antragsgemäß die einstweilige Verfügung erlassen. Das Verfahren wurde jedoch mit Bescheid vom 17. Mai 1978 gemäß §69 Abs1 litb AVG von Amts wegen wieder aufgenommen. Als neu hervorgekommene Beweismittel wurden von der Beschwerdeführerin beigebrachte Schriftstücke gewertet, aus denen zu entnehmen gewesen sei, daß im Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung die Verhandlungen zwischen der Beschwerdeführerin und der Stadt Wien über eine gütliche Regelung der Inanspruchnahme der Grundstücke noch nicht als gescheitert angesehen hätten werden können.

In der mit einem Lokalaugenschein verbundenen mündlichen Verhandlung am 21. Juni 1978 zog die Stadt Wien ihren Antrag hinsichtlich der Grundparzelle Nr. 1551 zurück. Sodann erließ der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die einstweilige Verfügung vom 29. August 1978, Z 15.626/13-I/78. Damit wurde die Beschwerdeführerin gemäß §122 Abs3 WRG 1959 verpflichtet,

"auf der Gp. 1549, KG Himberg, entsprechend dem mit Bescheid des ho. Bundesministeriums vom 18. Dezember 1974, Z 96505/963-88424/74, im Rahmen des Vorhabens 'Grundwasserwerk Mitterndorfer Senke' wasserrechtlich genehmigten Detailprojekt F - 2. Teil nachstehende Maßnahmen ab 4. September 1978 zu dulden:

1. Die Durchführung aller erforderlichen Vermessungs- und Vermarkungsarbeiten an allen geeigneten Stellen im Bereiche der zur Ausführung kommenden Wasserleitungs- und Fernmeldeanlagen;

2. Die Errichtung, den Bestand und den Betrieb sowie die Instandhaltung der Wasserleitungs- und Fernmeldeanlagen sowie die Vornahme von allfälligen Reparaturen an denselben;

3. Auf die Dauer der Bauführung die Vornahme der erforderlichen Arbeiten, sowie die Lagerung von Baustoffen bzw. die Ablagerung des Aushubmaterials;

4. Den jederzeitigen Zutritt von Organen der Stadt Wien zu den Wasserleitungs- und Fernmeldeanlagen".

Weiters wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet

"die Errichtung von Baulichkeiten und die Anpflanzung von Bäumen und tiefwurzelnden Pflanzen bis zu einer Entfernung von jeweils 4 m beiderseits der Achse der Transportleitung 1400 mm und überhaupt alles zu unterlassen, was den Bestand und Betrieb der Wasserleitungs- und Fernmeldeanlage, deren Überwachung sowie die Vornahme allfälliger Reparaturen an denselben hindern, erschweren oder gefährden könnte".

Der Landeshauptmann von NÖ hat schließlich mit Bescheid vom 3. Jänner 1979 die Beschwerdeführerin verpflichtet, auf den genannten Grundstücken jene Maßnahmen zu dulden bzw. zu unterlassen, die in der einstweiligen Verfügung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 29. August 1978 genannt sind, sowie die Stadt Wien verpflichtet, an die Beschwerdeführerin einen näher bestimmten Entschädigungsbetrag zu leisten.

In teilweiser Stattgebung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 15. Juni 1982 den Bescheid des Landeshauptmanns dahin abgeändert, daß die an die Beschwerdeführerin zu leistende Entschädigung erhöht wird.

Dieser Bescheid ist beim VfGH angefochten.

3. Die einstweilige Verfügung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 29. August 1978 ist Gegenstand der vorliegenden Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Verfügung begehrt wird.

II. Das Beschwerdeverfahren ist einzustellen, da der Beschwerdegegenstand weggefallen ist.

Der mit "Einstweilige Verfügungen" überschriebene §122 WRG lautet in den hier wesentlichen Teilen:

"(1) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann bei Gefahr im Verzuge ... die erforderlichen einstweiligen Verfügungen treffen. Die nach §99 oder §100 zuständige Wasserrechtsbehörde kann solche einstweilige Verfügungen abändern oder selbst treffen. ...

(2) Ist die Ausübung von Wasserbenutzungsrechten strittig, so kann die zuständige Wasserrechtsbehörde ... eine einstweilige Verfügung bis zur Entscheidung des Rechtsstreites treffen.

(3) Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft kann bei besonderer Dringlichkeit die Inangriffnahme eines als bevorzugter Wasserbau erklärten und bewilligten Bauvorhabens sowie notwendige Eingriffe in fremde Rechte schon vor Abschluß des Entschädigungsverfahrens gestatten.

(4) ...

(5) Mangels einer ausdrücklichen Befristung treten einstweilige Verfügungen mit Ablauf eines Jahres, vom Tag ihrer Rechtskraft an gerechnet, außer Wirksamkeit.

...

(8) Erweist sich eine auf Antrag einer Partei getroffene Verfügung als ungerechtfertigt, so hat der Antragsteller dem Betroffenen die verursachten vermögensrechtlichen Nachteile zu ersetzen. Der Anspruch hierauf ist bei sonstigem Verluste binnen drei Monaten nach Außerkrafttreten der einstweiligen Verfügung bei der Wasserrechtsbehörde geltend zu machen."

Die einstweilige Verfügung vom 29. August 1978 enthält keine ausdrückliche Befristung. Es ist daher zu prüfen, ob sie mit Ablauf eines Jahres nach Erlassung gemäß §122 Abs5 WRG außer Wirksamkeit getreten ist.

Einstweilige Verfügungen sind vorläufige Maßnahmen, die einer endgültigen Regelung der Angelegenheit vorausgehen. Durch die Befristung nach Abs5 soll vermieden werden, daß aus dem vorläufigen ein endgültiger Zustand wird. Abgesehen von den Fällen des Abs2, in denen das Gesetz der Verfügung Wirkung bis zur Entscheidung des Rechtsstreites beilegt, gilt Abs5 seinem Wortlaut nach für alle einstweiligen Verfügungen. Daß Abs3 - anders als die Abs1, 2 und 4 - den Akt der Behörde nicht "einstweilige Verfügung" nennt, ist angesichts der Rubrik des §122, des sachlichen Zusammenhanges und des Inhaltes der Regelung kein Grund, Abs5 nicht auch auf diesen Fall zu beziehen. Die Bestimmung war im Zeitpunkt ihrer Einfügung in den Text des Gesetzes durch die Wasserrechtsnovelle 1947, BGBl. 144, (als Abs4 des damaligen §104) dem durch die Nov. 1945, StGBl. 113, geschaffenen Abs3 sogar unmittelbar nachgestellt worden. Sinn und Zweck der vorgreifenden Gestattung notwendiger Eingriffe in fremde Rechte schließen die Befristung nicht aus. Auch die Wendung "schon vor Abschluß des Entschädigungsverfahrens" weist nur auf das Verfahren hin, in welchem die endgültige Regelung der Angelegenheit erfolgt. Die Gestattung solcher Eingriffe in fremde Rechte ist - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - auch keineswegs immer auf Dauer notwendig. Es wäre Sache der Behörde und des an der Verfügung interessierten Antragstellers, für eine den konkreten Erfordernissen der einstweiligen Verfügung angepaßte - die Dauer eines Jahres übersteigende - Befristung Sorge zu tragen und die Wirksamkeit einer Gestattung nach Abs3 an der Dauer des Entschädigungsverfahrens auszurichten. Auch die Lehre wendet Abs5 auf solche Fälle an (Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S 490, 494 und 496).

Es ist daher davon auszugehen, daß die bekämpfte einstweilige Verfügung längst außer Wirksamkeit getreten ist. Sie ist folglich kein tauglicher Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens mehr. Ob sie durch eine nachfolgende endgültige Regelung gerechtfertigt wurde und welche Bedeutung es allenfalls hat, wenn sie vor Inkrafttreten einer solchen Regelung außer Wirksamkeit getreten ist, kann nach diesem Zeitpunkt nur mehr in einem Verfahren nach §122 Abs8 WRG geprüft werden.

Schlagworte

Wasserrecht, VfGH / Gegenstandslosigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B542.1978

Dokumentnummer

JFT_10169699_78B00542_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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