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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
BAO §299; Gleichheitsverletzung durch einen kassatorischen aufsichtsbehördlichen Bescheid; aufsichtsbehördliche Aufhebung eines Bescheides - keine Bindung der Unterbehörde an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde; Rechtswirkungen der Aufhebung des kassatorischen aufsichtsbehördlichen Bescheides durch den VfGH - Beseitigung der nach der aufsichtsbehördlichen Aufhebung im zweiten Rechtsgang erlassenen unterbehördlichen BescheideSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Bf. ist mit Beginn des Jahres 1977 von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§4 Abs1 EStG) zur Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§4 Abs3 EStG) übergegangen. Dabei entstand ein rechnerischer Verlust (Gewinnabschlag) in der Höhe von 4028455 S, der nur bis zur Höhe von 218394 S mit einem Gewinn verrechnet werden konnte. Den verbleibenden Übergangsverlust machte er in den folgenden Jahren unter Berufung auf §18 Abs1 Z4 EStG als Sonderausgabe geltend. Für die Jahre 1978 und 1979 wurde ihm der Abzug verweigert. Mit dem Erk. B344/82 vom 6. Dezember 1983 hob der VfGH den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld., der der Berufung des Bf. keine Folge gegeben hatte, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auf.
Für die Jahre 1980 und 1981 war der Verlustvortrag aus dem Titel des Gewinnabschlages 1977 (in der Höhe von 879608 S und 357847 S) vom Finanzamt jedoch berücksichtigt worden. Die Finanzlandesdirektion war indessen der Meinung, daß dies "offenkundig versehentlich" geschehen sei, und hob in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß §299 Abs2 BAO die Einkommensteuerbescheide für 1980 und 1981 mit dem Hinweis auf die im Berufungsverfahren über die Steuerbescheide für 1978 und 1979 vertretene Rechtsansicht auf. Auch für 1980 und 1981 sei ein Verlustvortrag nicht möglich.
Gegen den aufhebenden Bescheid der Finanzlandesdirektion als Aufsichtsbehörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, die eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz rügt und auf die Ausführungen der Beschwerde zu B344/82 verweist.
Die bel. Beh. bezieht sich auf die zu B344/82 erstattete Gegenschrift und macht darauf aufmerksam, daß die aufgrund des angefochtenen Bescheides erlassenen neuen Einkommensteuerbescheide für 1980 und 1981 unangefochten geblieben sind.
II. Die Beschwerde ist begründet. Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Im Erk. B344/82 vom 6. Dezember 1983 hat der VfGH ausgesprochen, daß es eine Verletzung des Gleichheitsrechtes darstellt, wenn dem zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei Übergang von der Gewinnermittlung nach Abs1 auf jene nach Abs3 des §4 EStG nötigen Gewinnabschlag die Vortragsfähigkeit aberkannt wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung dieses - dieselben Parteien betreffenden - Erk. verwiesen. Hebt die Aufsichtsbehörde einen Einkommensteuerbescheid auf, weil er diesen Abschlag berücksichtigt, fällt ihr dieselbe Gleichheitsverletzung zur Last. Dieser Mangel ist ungeachtet der bloß kassatorischen, das Finanzamt nicht an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde bindenden Wirkung der Aufhebung wahrzunehmen (vgl. VfSlg. 8383/1978, 8727/1980).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Mit der Aufhebung des aufsichtsbehördlichen Bescheides tritt das Verwaltungsverfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat (VfSlg. 7692/1975), sodaß auch die darauf aufbauenden Bescheide des zweiten Rechtsganges aus dem Rechtsbestand beseitigt werden (VfSlg. 7908/1976).
Schlagworte
Bindung (der Verwaltungsbehörden an behördliche Entscheidungen), Finanzverfahren, Abänderung und Behebung von amtswegen, Bescheid verfahrensrechtlicher, VfGH / Sachentscheidung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B253.1983Dokumentnummer
JFT_10159079_83B00253_00