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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Strafvollzugsgesetz; §58 Abs1 ausreichend determiniert; keine sonstigen Bedenken gegen diese Bestimmung; Verweigerung der Bewilligung eines eigenen Radios für einen Strafhäftling gemäß §58 Abs1; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter RechteSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Bf. verbüßt eine Strafhaft in der Strafvollzugsanstalt Stein. Am 29. Jänner 1980 stellte er das Ansuchen, ihm die Benützung eines eigenen Radiorekorders zu genehmigen, weil das zentral ausgestrahlte Rundfunkprogramm seinen Bedürfnissen nicht entspreche.
Gegen die Ablehnung dieses Begehrens erhob der Einschreiter Beschwerde, die vom Leiter der Strafvollzugsanstalt mit Bescheid vom 5. März 1980 als unbegründet abgewiesen wurde.
1.2. Dagegen erhob der Einschreiter Beschwerde an den Bundesminister für Justiz; er meinte, die im §58 Abs1 StVG enthaltene Aussage, daß Strafgefangenen Gelegenheit zur Teilnahme am Empfang geeigneter Rundfunksendungen zu geben sei, könne nur iZm. den im §20 StVG dargelegten Zwecken des Strafvollzuges richtig interpretiert werden; dem so ermittelten Inhalt der Regelung werde durch das in der Strafvollzugsanstalt Stein ausgestrahlte Programm nicht entsprochen. Aufgrund der Bundesverfassung habe er ein Anrecht auf Fortbildung.
§33 Abs2 StVG, wonach Strafgefangenen nur solche Gegenstände zu überlassen seien, welche ihnen bei der Aufnahme zu belassen waren, könne seinem damit begründeten Ansuchen um Bewilligung eines eigenen Radiogerätes nicht entgegengehalten werden, da ihm ein Radiorekorder, wenn auch mit abgeklemmtem Radioteil, zum Erlernen einer Fremdsprache an sich genehmigt worden sei.
Mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 30. September 1980, Z 407004/3-V 7/80, wurde diese Beschwerde abgewiesen, wobei begründend ausgeführt wurde, daß bei der Beurteilung der Eignung der Rundfunksendungen auf die Wünsche der Mehrheit der Insassen der Anstalt Bedacht genommen werde. Nach §58 Abs1 StVG stehe Strafgefangenen ein Anspruch auf individuelle Programmwahl nicht zu, weshalb aus dieser Bestimmung ein Anspruch auf ein eigenes Radiogerät auch nicht abgeleitet werden könne.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG), auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art14 StGG), auf Freiheit der Berufswahl (Art18 StGG), auf Bildung (Art2 des 1. ZP zur MRK) und auf Freiheit des Empfanges von Nachrichten nach Art10 MRK geltend gemacht sowie die Verfassungswidrigkeit des §58 Abs1 StVG behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1.1. Der Bf. vermeint, §58 Abs1 StVG sei verfassungswidrig, weil die Bestimmung so unbestimmt sei, daß ihr Vollzug krasse Ungleichheiten erlaube.
3.1.2. Damit stellt sich die Frage, ob §58 Abs1 StVG dem aus Art18 Abs1 B-VG erfließenden Determinierungsgebot entspricht. Der VfGH hegt jedoch keinen Zweifel, daß die Bestimmung (auch) insoweit, als sie nur den Empfang geeigneter Rundfunksendungen für Strafgefangene erlaubt, auslegungsfähig ist, da dem hiemit maßgeblichen, unbestimmten Gesetzesbegriff iZm. den in §20 StVG umschriebenen Strafvollzugszielen ein zureichend bestimmter Begriffsinhalt iS des Art18 B-VG zukommt.
Auch sonst sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen §58 Abs1 StVG nicht entstanden (vgl. insbesondere VfSlg. 6465/1971).
3.2.1. Der Bf. wird der bel. Beh. aber auch vor, §58 Abs1 StVG verfassungswidrig angewendet zu haben. Seinem Antrag auf Bewilligung eines eigenen Radios sei das Begehren zugrunde gelegen, ihm den Empfang bestimmter religiöser und bildender Sendungen zu ermöglichen. Die Abweisung seines Antrages mit der Begründung, daß die Auswahl der Rundfunksendungen danach zu erfolgen habe, welche Sendungen von der Mehrheit der Mitgefangenen gewünscht werden, verstoße gegen das Gleichheitsgebot, gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit, gegen das durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Berufswahl sowie gegen Art2 des 1. ZP zur MRK, wonach das Recht auf Bildung niemandem verwehrt werden dürfe, und stehe im Widerspruch zu der durch Art10 MRK garantierten Freiheit zum Empfang von Nachrichten.
3.2.2. Bei der Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden materiell-rechtlichen Rechtsgrundlagen genügt es, zur Beantwortung dieser Vorwürfe festzuhalten, daß die durch den angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verweigerung der Bewilligung eines eigenen Radios in Vollzug einer gesetzlichen Regelung ergangen ist, die zum Ziel hat, Strafhäftlinge vom Empfang von für sie ungeeigneten Rundfunksendungen auszuschließen. Daß es sich hiebei um eine Maßnahme handelt, die mit dem Vollzug einer Freiheitsstrafe wesensmäßig verknüpft ist (vgl. VfSlg 6465/1971), ergibt sich schon aus der technischen Schwierigkeit - wenn nicht Unmöglichkeit - für eine Strafvollzugsanstalt, bei der Überlassung eines eigenen Radiogerätes an einen Strafhäftling den Empfang von Nachrichten so zu steuern, daß der Empfang ungeeigneter Sendungen, von dem Strafgefangene auszuschließen sind, verhindert werden kann. Im angefochtenen Bescheid konnte die Verweigerung der Bewilligung eines eigenen Radios daher in durchaus vertretbarer Weise auf §58 Abs1 StVG gestützt werden.
3.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
StrafvollzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B569.1980Dokumentnummer
JFT_10159076_80B00569_00