TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/8 B98/80

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Veröffentlicht am 08.10.1984
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §42
AVG §45
AVG §58

Leitsatz

AVG; Wertung einer Berufungsentscheidung, daß der Berufung gemäß §66 Abs4 "keine Folge gegeben" wird, nicht iS einer Zurückweisung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Dem Abwasserverband Unteres Rodltal waren mit den Bescheiden vom 24. März 1975 und vom 12. April 1976 wasserrechtliche Bewilligungen erteilt worden.

1.2. Am 27. Mai 1977 ersuchte der genannte Abwasserverband um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Erweiterung seiner Anlagen für ein generelles Projekt sowie für ein Detailprojekt Sammelkanal Eidenberg zwecks Ableitung der Abwässer der Gemeinde Eidenberg sowie der nördlichen Ortsteile der Marktgemeinde Gramastetten.

Bei der über dieses Ansuchen am 4. Juli 1977 durchgeführten wasserrechtlichen mündlichen Verhandlung sprachen sich die durch das Projekt betroffenen Bf. - als Mühlenbesitzer steht ihnen die wasserrechtliche Berechtigung zum Betrieb von 2 Turbinen zu - gegen das Projekt aus, soweit es eine Wasserentnahme aus dem Unterwasser ihres Bereiches vorsieht; sie führten im wesentlichen aus:

"a) Es kann ohne wesentliche Mehrkosten das erforderliche Wasser von ca. 30 l/s für die Reinigung des Regenbeckens an anderer Stelle, etwa durch Errichtung eines Nutzwasserbrunnens im unmittelbaren Bereich der Rodl und des Beckens entnommen werden. Dies hätte auch den Vorteil einer kürzeren Kanalleitung und eines höheren Reinigungsdruckes zur Folge.

...

b) Die Entnahme des Wassers könnte auch unterhalb der 'Leitnerwehr' ebenfalls durch eine Pumpanlage entnommen werden. Beide Vorschläge haben den Vorteil, daß auch der wasserbuchberechtigte Leitner von einer solchen Entnahme nicht berührt werden würde.

In diesem Zusammenhang wird auch noch darauf verwiesen, daß die Entnahmesituation insbesondere bei Niederwasser kritisch wird. Bei dieser Situation fahren wir nur mit einer Turbine und auch da gedrosselt, um eben den Unterwasserstand nicht unter die zum Betrieb erforderlichen Grenzen sinken zu lassen.

...

c) Sollte dennoch die Wasserentnahme aus unserem Unterwasser bescheidmäßig ausgesprochen werden, wogegen wir uns aussprechen, verweisen wir auf folgende Notwendigkeiten:

1. Es wäre gegen Ende des Unterwasserkanals eine Schleuse mit einer handbetriebenen Schütze so anzubringen, daß der Wasserstand des Kammes des Überlaufes mindestens gesichert ist, dh. nicht unter diesen Kamm absinkt. ...

2. Damit ist auch ausgesprochen, daß ich mich gegen rechtliche Auflagen über Entnahmezeit und Entnahmeverhältnisse ausspreche. Sicher könnten dem Konsenswerber nachstehende Auflagen erteilt werden:

...

Wir sind von der beabsichtigten Wasserentnahme durch das uns zu benennende Organ des Konsenswerbers nachweislich zu verständigen und hat eine Entnahme zu unterbleiben, wenn wir auf die bestehende Niederwassersituation verweisen.

...

3. ...

d) Gegen eine Entnahme von max. 1/2 l/s zur Leitungsreinigung bestehen unsererseits dann keine Bedenken, wenn ausreichende Sicherung dafür geboten wird, daß nicht mehr als 1/2 l/s tatsächlich entnommen wird. Auch hier, wie in anderen Fällen, verweisen wir darauf, daß bei Reparaturen, zeitweisem Nichtbetrieb der Mühle usw. von unserer Seite keine Gewähr dafür geboten wird, daß überhaupt Wasser oder die nötige Wasserhöhe in unserem Unterwasser zur Verfügung steht. Wie gesagt, kann auch bis zu 1/2 Jahr eine Reparatur oder Stillegung dauern.

e) Bedenken gegen die Trassenführung haben wir insoweit, als diese durch unseren Haus- und Obstgarten geführt wird. Wir begehren ..."

1.3. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 9. November 1977 wurde dem Abwasserverband Unteres Rodltal im Bescheidabschnitt I für das "generelle Projekt 1977" und im Bescheidabschnitt II für das "Detailprojekt Sammelkanal Eidenberg", in beiden Fällen unter Erteilung von Befristungen, Bedingungen und Auflagen, die Genehmigung erteilt. Zugunsten der Bf. wurden dem Abwasserverband im Bescheidabschnitt II unter Punkt 11 - 13 folgende Bedingungen und Auflagen vorgeschrieben:

"11. Die Entnahme von Spülwasser für die Reinigung des Regenbeckens Gramastetten-Nord darf nur bis zu einer Menge von 30 l/s und nur fallweise bei Bedarf erfolgen. Die Entnahme aus dem Unterwasserkanal der Wasserkraftanlage des K P darf nur insoweit erfolgen, als der Wasserspiegel im Unterwasserkanal nicht unter die Krone des vorhandenen Streichwehres absinkt bzw. als noch eine geringe Überlaufmenge über das Streichwehr vorhanden ist. Die Höchstentnahmemenge für die Spülung sowie die Entnahmemenge von 0,5 l/s als Zusatzwasser zur Verbesserung der Durchflußverhältnisse durch den Düker ist durch Schieber mit entsprechenden festen Anschlagen in einem unmittelbar bei der Entnahmestelle zu situierenden Schacht zu begrenzen.

Gegen die gewünschten Trassenführungen des Sammelkanales und der Spülleitung bestehen vom technischen Standpunkt keine Bedenken. Die verlangte Überschüttung der Kontrollschächte 28 und 29 darf höchstens 10 cm betragen; die Lage dieser Schächte muß entsprechend gekennzeichnet bzw. eingemessen sein.

12. Die Ehegatten P sind von der beabsichtigten Wasserentnahme durch das noch zu benennende Organ des Konsenswerbers nachweislich zu verständigen.

13. Das Grundstück Nr. ..., KG Gramastetten, Eigentümer K P, Gramastetten ..., auf dem zum Teil das Regenbecken Gramastetten-Nord errichtet werden soll, sowie das Grundstück Nr. ..., KG. Eidenberg, Eigentümer oö. Landt. Zisterzienserstift Wilhering, auf dem das Regenbecken Eidenberg errichtet werden soll, darf erst dann in Anspruch genommen werden, wenn entweder aufgrund eines außerbehördlichen Übereinkommens oder im Wege eines noch durchzuführenden Zwangsverfahrens ein Zugriffsrecht auf diese Liegenschaft erlangt worden ist."

Im Anschluß an Punkt 18 wurde schließlich die Bf. betreffend ausgeführt:

"Die Ablehnung der Wasserentnahme aus ihrem Unterwasser durch die Ehegatten P, Abschnitt B, Post Nr. 17 der Verhandlungsschrift, sowie die Forderung des ... werden als unbegründet abgewiesen."

Des weiteren wurde im Bescheidabschnitt III betreffend "freiwillig

eingeräumte Dienstbarkeiten" festgestellt, daß mit Eintritt der

Rechtskraft des Spruchabschnittes II die Dienstbarkeit der Errichtung

und des Betriebes, der Wartung und der Erhaltung des Hauptsammlers

Eidenberg zu Lasten der bei bewilligungsgemäßer Ausführung berührten

Grundstücke als eingeräumt anzusehen sei; ausgenommen von dieser

Feststellung seien die Grundstücke Nr. ..., ..., ... (welches den Bf.

gehört) und ... je KG Gramastetten, auf denen das Regenbecken

Gramastetten-Nord sowie das Grundstück Nr. ..., KG Eidenberg, auf dem das Regenbecken Eidenberg errichtet werden sollen.

Hinsichtlich der Einwendungen der Bf. wurde in der Bescheidbegründung ausgeführt, daß die Forderung nach Ablehnung der Wasserentnahme aus dem Unterwasser als unbegründet abzuweisen war, da durch die im Beschluß vorgesehenen Auflagen dafür Sorge getragen worden sei, daß das den Bf. zustehende Wasserbenutzungsrecht nicht beeinträchtigt werde.

2.1. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf. Berufung, in der die im Bescheidabschnitt I ausgesprochene Bewilligung des generellen Projekts 1977, die im Abschnitt II des angefochtenen Bescheides erteilte Bewilligung des Detailprojektes Sammelkanal Eidenberg hinsichtlich der Punkte 11 (Entnahme des Spülwassers aus der Wasserkraftanlage K P), 12 (Verständigung der beabsichtigten Wasserentnahme) und 13 (Inanspruchnahme des Grundstückes Nr. ..., KG Gramastetten, und die Abweisung der Ablehnung der Wasserentnahme) sowie der im Bescheidabschnitt III erfolgte Ausspruch bekämpft wurde.

2.2.1. Nachdem die Bf. gegen diesen Bescheid Berufung erhoben hatten, gab der Abwasserverband Unter Rodltal dem Amt der Oö. Landesregierung mit Schreiben vom 24. Feber 1978 eine Projektänderung bekannt, wonach "das Regenbecken Gramastetten-Nord in Fließrichtung abwärts gesehen um zirka 5 m verlegt wird, sodaß die Parzelle ...nicht durch das Regenbecken beansprucht wird". Der Landeshauptmann äußerte hierauf bei Vorlage der Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Meinung, daß das Berufungsvorbringen, insofern es die Inanspruchnahme der den Bf. gehörigen Parzelle ... bekämpfe, als gegenstandslos angesehen werden könne.

2.2.2. Der Bundesminister holte hierauf zunächst das Gutachten eines Amtssachverständigen ein, der auf dem Boden einer aufrechten Erledigung der Berufung verschiedene Anregungen für ergänzende Auflagen vorbrachte und zusammenfassend die Meinung vertrat, daß eine Beeinträchtigung der Turbinen der Berufungswerber durch die Entnahme von 30 l/s aus dem Unterwasser zwar nicht wahrscheinlich sei, daß aber eine eigene Wasserentnahme im Bereich des Beckens, wie auch in der Berufung dargelegt, für einen ordnungsmäßigen Betrieb zweckmäßiger und wassersparender wäre. Sowohl den Berufungswerbern als auch dem Abwasserverband Unteres Rodltal wurde sodann von der Berufungsbehörde Gelegenheit gegeben, sich hiezu zu äußern, wovon beide Parteien Gebrauch machten. Die Berufungswerber stützten sich auf die Ausführungen des Amtssachverständigen, soweit dieser eine eigene Wasserentnahme im Bereich des Beckens für zweckmäßiger und wassersparender erachtete, der Abwasserverband legte die Stellungnahme eines Sachverständigen vor, der den Ausführungen des Amtssachverständigen beitrat, daß eine Beeinflussung der Turbinen des Berufungswerbers durch eine Entnahme von 30 l/s nicht eintreten würde. In der vom Bundesminister eingeholten abschließenden Beurteilung brachte der Amtssachverständige zum Ausdruck, daß die Spülung des Regenrückhaltebeckens Gramastetten-Nord nicht genügend geklärt sei; unter Hinweis auf die zusätzlich vom Abwasserverband angekündigte Änderung der Situierung des Beckens, wurde hinsichtlich dieses Projektteiles eine ergänzende Behandlung unter Zugrundelegung neuer Unterlagen für notwendig erachtet.

2.2.3. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Jänner 1980, Z 510720/02-I 5/78, wurde sodann der angefochtene Bescheid, "soweit mit ihm die Errichtung des Regenrückhaltebeckens Gramastetten-Nord wasserrechtlich bewilligt wurde, gemäß §66 Abs2 AVG 1950 behoben"; spezifizierend wurde hiezu ausgeführt:

"Insbesondere haben in Spruchabschnitt II der erste Absatz der Bedingung 11, die Bedingung 12, die Bedingung 13, soweit sie sich auf die Inanspruchnahme der Gp. ..., KG Gramastetten, bezieht, sowie der im Anschluß an Bedingung 18 folgende Absatz, soweit mit ihm die Forderungen der Ehegatten P abgewiesen werden, zu entfallen."

Weiters wurde im angefochtenen Bescheid ausgesprochen, daß die Angelegenheit im Umfang der aufgehobenen Bescheidteile an den Landeshauptmann von OÖ zur neuerlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen wird.

Im übrigen wurde der Berufung gemäß §66 Abs4 AVG 1950 keine Folge gegeben.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, ein von der Berufungsbehörde eingeholtes Gutachten habe ergeben, daß die Ausführung des Regenrückhaltebeckens Gramastetten-Nord hinsichtlich der Zugangsmöglichkeit ergänzungsbedürftig sei und hinsichtlich der vorzunehmenden Spülung eine Wasserentnahme durch eine Tauchpumpe oder durch einen Brunnen zweckmäßiger sei. Dies sei von den Berufungswerbern bekräftigt worden; der bewilligungswerbende Wasserverband habe sich zur Schaffung eines verbesserten Zuganges und einer anderen Dimensionierung einer der beiden Spülröhren bekannt, jedoch darauf beharrt, das erforderliche Spülwasser aus dem Unterwasser der Wasserkraftanlage der Bf. zu entnehmen.

Wie dem Akteninhalt zu entnehmen sei, habe der bewilligungswerbende Wasserverband nach Erlassung des bekämpften Bescheides in Verhandlungen mit der Grundeigentümerin der GP ..., KG Gramastetten, G R, deren Zustimmung dafür erreicht, daß das Regenrückhaltebecken zur Gänze auf dieser GP errichtet werden soll, sodaß die GP ... der Berufungswerber für die Errichtung des Beckens nicht mehr in Anspruch genommen werden müsse, was eine Abänderung des Projektes dahin bedinge, daß das Becken um 5 m in Richtung Westen verschoben wird. Eine weitere Abänderung des Projektes sei dadurch erforderlich, daß der bewilligungswerbende Verband aufgrund der Anregung des hierortigen wasserbautechnischen Amtssachverständigen eine bessere Zugangsmöglichkeit zum Becken schaffen wolle.

Da hiedurch eine Projektänderung unvermeidlich sei, müsse der diesbezügliche Sachverhalt noch näher erhoben werden. Hiezu erweise sich eine mündliche Verhandlung als notwendig, die aus Gründen der Raschheit und Einfachheit des Verfahrens, aber auch zur Vermeidung einer Überspringung des Instanzenzuges vom Landeshauptmann von OÖ durchzuführen wäre. Der angefochtene Bescheid sei daher spruchgemäß zu beheben und die Angelegenheit insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Landeshauptmann von OÖ zurückzuverweisen.

Abschließend wird ausgeführt:

"Soweit die Berufungswerber in der Berufung die Entnahme von 0,5 l/s Wasser zur Verbesserung der Durchflußverhältnisse im Düker bekämpfen, ist festzuhalten, daß dieses Vorbringen erstmals in der Berufung gemacht wurde. In dieser Hinsicht unterliegen die Berufungswerber somit den Verschweigungsfolgen des §42 AVG 1950, sodaß ihrer Berufung insoweit kein Erfolg beschieden sein konnte."

3.1. Gegen den die Berufung abweisenden Teil dieses Bescheides wendet sich die vorliegende, auf Art144 V-VG gestützte Beschwerde. Es wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des Bescheides im angefochtenen Umfang beantragt.

3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Die Bf. sind der Meinung, die bel. Beh. habe zu Unrecht angenommen, daß hinsichtlich ihres Einwandes gegen die Entnahme von 0,5 l/s Wasser aus dem Unterwasserkanal ihrer Wasserkraftanlage Präklusion gemäß §42 AVG 1955 eingetreten sei. Sie hätten sich nicht erst in der Berufung dagegen ausgesprochen, sondern, wie aus der Verhandlungsschrift vom 4. Juli 1977 eindeutig hervorgehe, sich schon damals gegen das Projekt gewendet, soweit es eine Wasserentnahme aus dem Unterwasserkanal ihrer Wasserkraftanlage vorsehe. Indem die bel. Beh. trotz der nachweislich bereits in der ersten Instanz erhobenen Einwendungen den Bf. Verschweigung entgegenhalte, werde ihnen eine Sachentscheidung verweigert; in diesem Sinne sei nämlich der Ausspruch des angefochtenen Bescheides zu verstehen, daß ihrer Berufung "im übrigen ... keine Folge gegeben" werde. Sollte aber mit diesem Ausspruch eine Sachentscheidung gefällt worden sein, dann seien die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter deshalb verletzt, weil selbst unter Zugrundelegung der Annahme der bel. Beh. eine meritorische Entscheidung nur nach entsprechender amtswegiger Prüfung erfolgen hätte dürfen. Im vorliegenden Fall stehe aber fest, daß eine Prüfung der von den Bf. vorgeschlagenen Alternativmaßnahmen überhaupt nicht durchgeführt worden sei. Da im Fall einer meritorischen Entscheidung eine Begründungspflicht bestanden hätte, eine solche jedoch nicht aufscheine, sei ersichtlich, daß die bel. Beh. eine Sachentscheidung - allerdings zu Unrecht - abgelehnt habe.

4.2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980), etwa, indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (vgl. zB VfSlg. 9105/1981).

Die Nichtbeachtung der Vorschriften des §45 AVG 1950 kann nur eine vom VfGH nicht zu prüfende Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften bilden, durch sie kann weder das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch ein anderes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt werden (vgl. VfSlg. 8309/1978, 8766/1980).

4.2.2. Es mag richtig sein, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides zunächst den Eindruck erweckt, daß die bel. Beh. ihre Entscheidung, soweit der Berufung keine Folge gegeben wird, ausschließlich auf den letzten, von den Bf. inhaltlich kritisierten Absatz der Begründung stützt, woraus die Bf. den Vorwurf ableiten, ihre Berufung sei teilweise zurückgewiesen worden. Schon die Fassung des Spruches im einschlägigen Punkt: "Im übrigen wird der Berufung gemäß §66 Abs4 AVG keine Folge gegeben" legt ein solches Verständnis jedoch nicht nahe. Die Bf. stützen ihren Vorwurf daher auch primär auf den letzten Abs. der Entscheidungsgründe, in denen auf §42 AVG 1950 Bezug genommen wird. Anders als die Bf. versteht der VfGH die Aussage "wird ... keine Folge gegeben" nicht iS einer Zurückweisung. Für eine teilweise Abweisung der Berufung spricht, daß in der Begründung die Notwendigkeit einer Wasserentnahme aus dem Unterwasserkanal der Bf. implizit bejaht wird. Damit im Einklang steht, daß die bel. Beh., wie im angefochtenen Bescheid dargelegt, aufgrund der Berufungsausführungen ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, in dessen Zuge sie sich mit den Vorwürfen gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingehend befaßt und den Parteien Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Dies zeigt, daß auch der letzte Abs. der Begründung nur als ein - von der bel. Beh. zu Recht oder zu Unrecht herangezogenes - verstärkendes Argument für eine teilweise Abweisung der Berufung zu verstehen ist. Der bel. Beh. kann demnach nicht angelastet werden, die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu haben.

Der VfGH hat sich weiters mit der Frage befaßt, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden; insofern war insbesondere zu erörtern, ob eine Verletzung des Gleichheitsgebotes in Frage kommt.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8856/1980, 9015/1981) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren überhaupt, insbesondere iVm. einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur, 9187/1981).

All dies liegt offensichtlich nicht vor. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen wurden nicht behauptet und sind im Verfahren auch nicht entstanden. Auch für Willkür hat das Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides mag mangelhaft oder verfehlt sein, ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler liegt jedoch offenkundig nicht vor. Die Frage, ob die bel. Beh. die Beweise richtig gewürdigt hat, ist nicht vom VfGH zu prüfen.

4.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Beweise, Auslegung eines Bescheides, Bescheid Trennbarkeit, Bescheid Spruch, Bescheidbegründung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B98.1980

Dokumentnummer

JFT_10158992_80B00098_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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