TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/10 B466/83

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Veröffentlicht am 10.10.1984
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art83 Abs2
WRG 1959 §38

Leitsatz

Wasserrechtsgesetz; Entzug des gesetzlichen Richters durch Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung ohne den hiefür erforderlichen Antrag

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Brücke über den Weitentalbach in Hintertux (Tir.) steht im Eigentum der Agrargemeinschaft "Hintertuxer Galtalpe". Die Brücke bildet die (einzige) Zufahrt zur Talstation der von der bf. Gesellschaft betriebenen Seilbahnen in Hintertux. Im Jahre 1964 hat die Agrargemeinschaft "Hintertuxer Galtalpe" iZm. der Errichtung und dem Betrieb der Seilbahnen der bf. Gesellschaft verschiedene Servitutsrechte betreffend die genannte Brücke und einen an die Brücke anschließenden Weg bis zur Talstation eingeräumt, wogegen die bf. Gesellschaft die Verpflichtung zur Instandhaltung der Brücke übernahm (auf andere Einzelheiten braucht hier - als für die unter Punkt II. folgenden Erwägungen des VfGH nicht wesentlich - nicht weiter eingegangen zu werden).

2. Mit Bescheid vom 15. Dezember 1982 hat die Bezirkshauptmannschaft Schwaz der bf. Gesellschaft "nachträglich" die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und Benützung der Brücke über den Weitentalbach in Hintertux gemäß den §§38, 98, 111 und 112 WRG 1959 unter Setzung von 10 Auflagen betreffend die bauliche Sanierung der Brücke erteilt.

In dem Bescheid heißt es, die Brücke und die daran anschließende Straße würden sehr stark frequentiert, sie diene als Zubringer sowohl zur Talstation der Zillertaler Gletscherbahnen als auch zum Hotel "Rindererhof". Nachdem die Brückenbauabteilung der Landesbaudirektion in einem Gutachten vom 25. November 1981 festgestellt habe, daß die Brücke im derzeitigen Zustand nicht in der Lage sei, den uneingeschränkten Verkehr aufzunehmen, habe die Bezirkshauptmannschaft Schwaz "sohin von Amts wegen" eine Überprüfungsverhandlung anberaumt, welche ergeben habe, daß der Zustand der Brücke schlecht und sie bei Hochwasser einsturzgefährdet sei. Da die gegenständliche Brücke "nie wasserrechtlich verhandelt" worden sei, sei nachträglich ein Wasserrechtsverfahren durchzuführen. Die Verpflichtung zur Sanierung der Brücke treffe die Z G-GesmbH & Co KG. Diese Verpflichtung ergebe sich aus drei - im Bescheid näher bezeichneten - Kauf- und Dienstbarkeitsverträgen aus dem Jahre 1964.

3. Die gegen diesen Bescheid von der bf. Gesellschaft erhobene Berufung hat der Landeshauptmann von Tir. mit Bescheid vom 5. Feber 1983 als verspätet zurückgewiesen. Anläßlich des Rückschlusses der Akten an die Bezirkshauptmannschaft Schwaz hat der Landeshauptmann in einem Begleitschreiben eigens darauf hingewiesen, daß im Falle der Zulässigkeit der Berufung der erstinstanzliche Bescheid deshalb hätte aufgehoben werden müssen, weil die Behörde ein antragsbedürftiges Verwaltungsverfahren (§38 WRG) ohne Antrag eingeleitet habe. Rechtlich denkbar wäre nur ein Verfahren nach §138 iVm. §38 WRG, wobei aber Adressat nur der Grundeigentümer (also die Agrargemeinschaft "Hintertuxer Galtalpe") sein könnte.

Nachdem die Bezirkshauptmannschaft Schwaz mit Bescheid vom 5. April 1983 einen Antrag der bf. Gesellschaft auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben hatte, hat der Landeshauptmann über die Berufung der bf. Gesellschaft (neuerlich) entschieden und der Berufung mit Bescheid vom 9. Mai 1983 keine Folge gegeben.

In der Begründung des Bescheides - soweit diese hier von Belang ist - wird ausgeführt, die Verwaltungsakten sähen "vorerst" keinen formellen Antragsteller vor, auch die Kundmachung vom 8. Juli 1982 betreffend die Verhandlung an Ort und Stelle habe noch keinen Antragsteller genannt. Anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 1982 habe jedoch ausschließlich die Z G-GesmbH & Co KG durch ihren Vertreter Dr. L verfahrensbezogene Anträge gestellt und damit zumindest in konkludenter Weise zu erkennen gegeben, daß sie im anhängigen Wasserrechtsverfahren als Konsenswerberin auftritt. Aus dem Grunde der fehlenden Antragstellung könne somit der angefochtene Bescheid nicht aufgehoben werden.

4. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tir. vom 9. Mai 1983 richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die bf. Gesellschaft die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. In der Beschwerde wird - ua. - vorgebracht, die Z G-GesmbH & Co KG habe niemals einen Antrag auf wasserrechtlich Bewilligung der Brücke gestellt, und zwar auch nicht in konkludenter Weise.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt. Eine Behörde nimmt eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit ua. dann in Anspruch, wenn sie einen antragsbedürftigen Bescheid ohne Vorliegen eines Antrages erläßt (vgl. VfGH. 26. 2. 1982 B486/78 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Bei einer wasserrechtlichen Bewilligung handelt es sich um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt (s. zB VfSlg. 8182/1977, S 336, wo der VfGH einen Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter mit der Begründung verneint hat, daß ein Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung vorgelegen sei; vgl. auch das Erk. des VwGH vom 23. Mai 1969, Z 1852/68, wonach mit der Zurückziehung des wasserrechtlichen Antrages die Rechtswirksamkeit sämtlicher aufgrund des Antrages gesetzter behördlicher Schritte erlischt).

b) Den Verwaltungsakten ist hiezu ergänzend zu entnehmen:

Ein ausdrücklicher Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung der Brücke ist im vorliegenden Verwaltungsverfahren - worauf auch die bel. Beh. hinweist - niemals gestellt worden. Das Verfahren wurde von Amts wegen eingeleitet. Die Kundmachung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz über die Anordnung der mündlichen Verhandlung am 27. Juli 1982 enthält den Betreff: "Agrargemeinschaft Hintertuxer Galtalpe; Brücke über Weitentalbach, Hintertux - wasserrechtliches Überprüfungsverfahren". In der Verhandlungsschrift vom 27. Juli 1982 wird als Konsenswerber die Argrargemeinschaft "Hintertuxer Galtalpe" angeführt. In der Verhandlungsschrift heißt es sodann (nach Aufzählung der vorgesehenen Auflagen und Wiedergabe der Stellungnahme des Sachverständigen):

"Herr Dr. L beantragt, das wr. Verfahren für 3 Monate (bis 1. 11. 1982) zu unterbrechen, um eine einvernehmliche Lösung mit der Gemeinde Tux herbeizuführen. Sollte bis dahin kein Lösungsvorschlag erfolgen, wird der wr. Bescheid gemäß den Vorschreibungen der beiden Sachverständigen erlassen.

Das Verhandlungsergebnis wird zustimmend zur Kenntnis genommen."

c) Der daraus gezogenen Schlußfolgerung der bel. Beh. die Z G-GesmbH & CO KG habe "verfahrensbezogene" Anträge gestellt und damit zumindest in konkludenter Weise zu erkennen gegeben, daß sie im anhängigen Wasserrechtsverfahren als Konsenswerberin auftritt, kann der VfGH nicht folgen. Damit erweist sich auch die in der Gegenschrift des kommissarischen Verwalters der Agrargemeinschaft "Hintertuxer Galtalpe" enthaltene Argumentation, die Bf. habe "ganz offensichtlich mündlich" um die nachträgliche Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung ersucht, ein solcher Antrag sei - in welcher Form auch immer - von der Bf. eingebracht worden, da es sonst unverständlich bliebe, daß sie verfahrensbezogene Anträge gestellt habe, als verfehlt. Abgesehen davon, daß der vom Vertreter der bf. Gesellschaft in der Verhandlung am 27. Juli 1982 gestellte Antrag seinem Inhalt nach nichts darüber aussagt, daß die Verfahrenspartei

Z G-GesmbH & CO KG (auch) Bewilligungswerberin sei, steht die von der Behörde getroffene Feststellung auch mit der Niederschrift über diese Verhandlung in Widerspruch, weil zu Beginn der Verhandlungsschrift - allerdings ebenfalls nicht im Einklang mit dem Akteninhalt - die Agrargemeinschaft "Hintertuxer Galtalpe" als Konsenswerberin angeführt ist.

2. Da somit der erforderliche Antrag für die erteilte wasserrechtliche Bewilligung nicht vorlag, verletzt der angefochtene Bescheid die bf. Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Schlagworte

Bescheid antragsbedürftiger, Wasserrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B466.1983

Dokumentnummer

JFT_10158990_83B00466_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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