Kommentar zum § 2 IPRG

Ulrike Christine Walter am 09.03.2012

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Feststellung von Amtswegen

Die für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sind von Amt wegen festzustellen (§ 2 1. Halbsatz)

Handelt es sich um einen Sachverhalt mit Auslandsberührung, bedarf es der Feststellung der für die Subsumption unter den konkreten Anknüpfungspunkt des inländischen internationalen Privatrechts und bei Beachtlichkeit von Rückverweisungen und Weiterverweisungen der ausländischen Kollisionsnorm maßgebenden und schließlich aller Umstände für die Erfüllung des jeweiligen Anknüpfungspunktes der anzuwendenden inländischen oder ausländischen kollisionsrechtlichen Norm. (IPRE 2/3, RS0076869)

Die Frage der Anwendung ausländischen Rechtes ist stets, auch ohne dass sich die Parteien darauf berufen, zu prüfen, sofern Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Sache ausländischem Recht unterliegen könnte. Solche Anhaltspunkte bestehen immer, wenn Gegenstand des Rechtsstreites Verträge sind, die zwischen einem im Ausland befindlichen Ausländer und einem im Inland befindlichen Inländer abgeschlossen wurden.( RS0009230

SZ 47/41 = JBl 1974,369, SZ 47/138)

Das Gericht hat von Amts wegen ausländisches Recht zu erforschen und anzuwenden, wenn die Aktenlage einen Anhaltspunkt für die Möglichkeit der Anwendung eines solchen Rechtes gibt (ZBl 1932/56 ua). RS0040189, RZ 1971,159; ZVR 1973/179 S 241; SZ 47/3)

Hinsichtlich im Ausland abgeschlossener Verträge ist zunächst an Hand des österreichischen Rechtes eine primäre Qualifikation vorzunehmen, daß heißt es muß der Sachverhalt im System des inländischen Rechtes eingeordnet werden (hier wurde das Vorliegen von Ehepakten angenommen). (EvBl 1977/141 S 301 = NZ 1980,9 = JBl 1977,419 = ZfRV 1978,136 mit Glosse von Schwind )

 Ausnahme

Es muß nicht untersucht werden, ob deutsches oder österreichisches Recht anzuwenden ist, wenn der Fall nach beiden Rechtsordnungen zumindest im Ergebnis gleich zu beurteilen ist. (RS0076586) Konversion nach schweizerischen und österreichischen Recht. ( ÖBl 1984,90 = GRURInt 1985,129) Bestimmungen der §§ 922 ff ABGB und § 459 BGB. (JBl 1985,673)

 Rechtsrüge/Verfahrensmangel

Wenngleich die §§ 2 bis 4 IPRG für Gerichtsbarkeit und Verwaltung die Amtswegigkeit der kollisionsrechtlichen Beurteilung anordnen, hängt im Rechtsmittelverfahren die amtswegige Prüfung der Rechtsanwendungsfrage von der Erhebung einer Rechtsrüge ab.(RS0120307)

Da die unrichtige Lösung kollisionsrechtlicher Probleme eine Verletzung der inländischen Kollisionsnormen bedeutet, muss sie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Sache auch ohne, ja sogar gegen den Willen der Prozessparteien wahrgenommen werden. (SZ 56/107 = ÖBl 1983,162 = GRURInt 1984,453 (Wirner) , EvBl 1987/2 S 15 = ZfRV 1988,215 (Hoyer), IPRE 2/3, SZ 70/145, SZ 2004/53RS0040031)

Zu den auch außerhalb der Revisionsausführungen von Amts wegen zu prüfenden Fragen gehört - falls sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Sache allenfalls nach ausländischem Recht zu beurteilen ist - auch die des anzuwendenden Rechts (SZ 25/17, EvBl 1965/22 ua). RS0045126; SZ 44/177; NZ 1973,187 = ZfRV 1973 H2,139; hiezu Reichelt ZfRV 1973 H2,132; ZVR 1973/179 S 241; SZ 47/41 = JBl 1974,369; SZ 47/138 = EvBl 1975/183 S 394 = JBl 1976,35)

Läßt das Berufungsgericht wegen angenommener deckungsgleicher Sachlösungen nach inländischem und italienischem Sachrecht eine kollisionsrechtliche Beurteilung bewußt offen, sind diese kollisionsrechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichtes unvollständig, wenn je nach dem konkreten aber nicht festgestellten Inhalt eines Vertrages über Schiffsfrachtleistungen im Falle der Anwendbarkeit italienischen Rechtes auch die speziellen Kollisionsnormen der disposizioni preliminari des codice della navigazione (vor allem die mangels abweichenden Parteiwillens normierte Maßgeblichkeit des Rechtes der Flagge nach Art 10 disposizioni preliminari) beachtlich sein könnten. (RS0054391) 

Staatsbürgerschaftsfragen

Staatsbürgerschaftsfragen sind nach dem Recht des Staates zu beurteilen, um dessen Staatsbürgerschaft es geht (Schwimann in Rummel). (SZ 60/228 = JBl 1988,519)

 Österreichisches Devisenrecht

Österreichisches Devisenrecht ist immer dann anzuwenden, wenn ein Einfluß auf die österreichische Währung gegeben oder möglich ist; dies ist immer dann der Fall, wenn ein Deviseninländer eine Geldschuld eingeht, für die er persönlich haftet. (EvBl 1993/110 S 455 = WBl 1993,25 = ÖBA 1994,641 (Schurig))

Die devisenrechtliche Frage ist kraft Sonderanknüpfung durch die Eingriffsnormen des DevG im Rahmen seines eigenen Anknüpfungswillens (§§ 2 ff DevG) nach österreichischem Recht zu beantworten, so daß nicht an das Schuldstatut angeschlossen werden kann. (EvBl 1983/83 S 327, ÖBA 1988,397, SZ 62/33 = IPRax 1991,60 (Hoyer), EvBl 1993/110 S 455 = ÖBA 1994,641 (Schurig) = WBl 1993,25 , RS0054304)

 

 Parteivorbringen

Dies  soweit nicht nach verfahrensrechtlichen Vorschriften in einem der Rechtswahl zugänglichen Sachgebiet (§§ 19, 35 Abs. 1) tatsächliches Parteivorbringen für wahr zu halten ist. (§ 2 2. Halbsatz)

Behauptet die klagende Partei die Anwendbarkeit österreichischen Rechts und bleibt dieses Vorbringen in der Klagebeantwortung und im Rechtsmittelverfahren unbestritten, berief sich vielmehr die beklagte Partei selbst darin auf österreichisches Recht, liegt eine beachtliche Rechtswahl der Parteien im Sinne des § 35 Abs 1 IPRG vor.  (RS0040169; SZ 2003/87; SZ 2008/87)

Eine schlüssig getroffene Rechtswahl ist nur anzunehmen, wenn die Parteien ihrem Vorbringen inländisches Recht zugrundegelegt und die Feststellung, daß österreichisches Recht anzuwenden sei, unbekämpft gelassen haben. (ZfRV 1988,22;: SZ 2003/87; RS0009300)

      
§ 2 IPRG | 2. Version | 411 Aufrufe | 09.03.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Ulrike Christine Walter
Zitiervorschlag: Ulrike Christine Walter in jusline.at, IPRG, § 2, 09.03.2012
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