TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/24 94/19/1110

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Veröffentlicht am 24.04.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §56;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
B-VG Art139 idF 1975/302;
B-VG Art18 Abs1;
DSt Rechtsanwälte 1990 §1;
EGVG Art2 Abs2 Z31;
EGVG Art2;
RAO 1868 §23;
RAO 1868 §26 Abs5 idF 1976/673 ;
RAO 1868 §26 idF 1973/570;
RAO 1868 §28 idF 1973/570;
RAO 1868 §37 idF 1973/570;
RAO 1868;
RAONov 1976;
RLBA 1977 §1;
RLBA 1977 §45;
RLBA 1977;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Rechtsanwaltes Dr. R in S, gegen den Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 14. September 1992, betreffend Feststellungen in Angelegenheiten von Pflichten des Rechtsanwaltsstandes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer gehört als Rechtsanwalt der Salzburger Rechtsanwaltskammer an.

Mit Eingabe vom 10. Februar 1992 stellte er an den Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer einen Antrag mit folgendem Wortlaut:

"Der Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer wolle mit Bescheid aussprechen, daß es zulässig ist, also nicht gegen die Pflichten als Rechtsanwalt verstößt und insbesondere Ehre und Ansehen des Standes nicht beeinträchtigt, und daher nicht untersagt wird, in eventu bewilligt wird, daß ich auf den beiden derzeit vorhandenen und auf künftig anzubringenden Praxisschildern meiner und meiner Partner gemeinsamen Kanzlei, auf meinem eigenen und dem mit Partnern gemeinsamen Kanzlei-Briefpapier, auf Visitkarten, auf meinem privaten Briefpapier, in Publikationen in Anwaltsverzeichnissen, Fach- und sonstigen Publikationen in Medien, in Inseraten und Rundschreiben und in Informationsschriften über meine und mit Partnern gemeinsame Anwaltskanzlei sowie anläßlich sonstiger privater und Öffentlichkeitskontakte neben dem Rechtsanwaltsberuf meine Tätigkeit und Funktion als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Recht + Fortbildung und des Salzburger Instituts für juristische Information und Fortbildung nenne."

Mit einer weiteren Eingabe vom 17. Februar 1992 stellte der Beschwerdeführer (gemeinsam mit der am Beschwerdeverfahren unbeteiligten Rechtsanwältin Dr. I) einen Antrag mit folgendem Wortlaut:

"Der Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer wolle mit Bescheid aussprechen, daß es zulässig ist, also nicht gegen die Pflichten als Rechtsanwalt verstößt und insbesondere Ehre und Ansehen des Standes nicht beeinträchtigt, und daher nicht untersagt wird, in eventu bewilligt wird, daß wir auf den beiden derzeit vorhandenen und auf künftig anzubringenden Praxisschildern unserer Kanzlei auch Berufe und Tätigkeiten nach § 45 (2) lit. c) RL-BA, ferner Mitgliedschaften in Fachverbänden, die mit der Berufsausübung im Zusammenhang stehen, insbesondere auch in ausländischen und internationalen Anwaltsvereinigungen, sowie schließlich Rechtsgebiete, auf denen wir vornehmlich tätig sind, also Schwerpunkte unserer anwaltlichen Tätigkeit, benennen."

Mit Eingabe vom 24. Februar 1992 stellte der Beschwerdeführer (gemeinsam mit der vorerwähnten Rechtsanwältin) des weiteren einen Antrag mit folgendem Wortlaut:

"Der Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer wolle mit Bescheid aussprechen, daß es zulässig ist, also nicht gegen die Pflichten als Rechtsanwalt verstößt und insbesondere Ehre und Ansehen des Standes nicht beeinträchtigt, und daher nicht untersagt wird, in eventu bewilligt wird, daß wir auf unseren Briefpapieren ohne Rücksicht darauf, an wen und an wieviele Personen sie gehen und welche Texte sie haben, alle nach § 45 (2) zulässigen Angaben gemacht werden."

Schließlich stellte der Beschwerdeführer (gemeinsam mit der vorerwähnten Rechtsanwältin) mit Eingabe vom 11. März 1992 einen Antrag mit folgendem Wortlaut:

"Der Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer wolle mit Bescheid aussprechen, daß es zulässig ist, also nicht gegen die Pflichten als Rechtsanwalt verstößt und insbesondere Ehre und Ansehen des Standes nicht beeinträchtigt, und daher nicht untersagt wird, in eventu bewilligt wird, daß wir Inserate und Rundschreiben mit den nach § 45 RL-BA zulässigen Angaben nicht nur aus den in § 49 Z. 3 RL-BA angeführten Anlässen durchführen, sondern einerseits auch bei jeder Änderung im Bereich der Angaben nach den lit. a) bis g) des Abs. (2) des § 45 RL-BA, ferner um Angestellte, RAA oder Partner für unsere Anwaltskanzlei zu suchen, und schließlich unabhängig von irgendwelchen Anlässen einmal jährlich, bezogen auf ein und dasselbe Medium (bei den Inseraten) und ein und denselben Adressatenkreis (bei den Rundschreiben).

Diesen letzteren Teil des Antrages verstehen wir dahingehend, daß wir von einem bestimmten Anlaß abgesehen, wie in den §§ 45 und 49 RL-BA und zuvor erwähnt, zum Beispiel einmal jährlich in der "Salzburger Wirtschaft", im selben Jahr aber zu einer anderen Zeit und auch mit einem beliebigen anderen Inhalt etwa in den "Salzburger Nachrichten" oder im "Österreichischen Anwaltsblatt" oder wo immer inserieren und ebenso zum Beispiel einmal jährlich die Rechtsanwälte und im selben Jahr aber zu einer anderen Zeit, z.B. die Notare mit Rundschreiben anschreiben dürfen."

Mit Bescheid vom 26. Mai 1992 wies die Abteilung 2a des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer die im Sinne der Eingaben vom 10. Februar 1992, 17 Februar 1992 und vom 11. März 1992 gestellten Anträge des Beschwerdeführers ab und stellte hinsichtlich des Antrages im Sinne der Eingabe vom 24. Februar 1992 im Spruchpunkt 4.) fest, "... daß die Anführung dieser Angaben auf dem Briefpapier insoweit nicht gegen die Pflichten des Rechtsanwalts und gegen Ehre und Ansehen des Standes verstößt, als sich die Angaben auf das sachlich Gebotene beschränken, als sie wahrheitsgemäße und nicht irreführende Angaben über die Person oder Tätigkeit der Rechtsanwälte machen, die Verbote des § 45 Abs. 3 RL-BA nicht verletzen und nicht aufdringlich gestaltet sind (§ 49 RL-BA)".

Gegen diesen Bescheid (der Abteilung 2a) erhob der Beschwerdeführer - soweit seinen Anträgen nicht vollinhaltlich stattgegeben bzw. sein Antrag vom 24. Februar 1992 modifiziert bewilligt wurde - Vorstellung an den Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer.

Mit dem nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. September 1992 hat der Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer (belangte Behörde) im Spruchpunkt I. den Bescheid der Abeilung 2a dahingehend abgeändert, daß der im Sinne der Eingabe vom 24. Februar 1992 gestellte Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen und im Spruchpunkt III. die (gegen die abweisliche Entscheidung der Abteilung 2a erhobenen) Vorstellungen als unbegründet abgewiesen wurden.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dem Rechtsmittelverfahren liege ein Feststellungsantrag hinsichtlich der Rechtmäßigkeit eines bestimmten beabsichtigten Verhaltens zugrunde; ein zwischenzeitig ausgesandtes Rundschreiben sei hingegen nicht verfahrensgegenständlich. Das (von der Abteilung 2a) mit Spruchpunkt 4.) erledigte Feststellungsbegehren erachtete die belangte Behörde als unzulässig, weil es auf eine Auskunfterteilung über die Interpretation von Rechtsvorschriften beschränkt sei. Dieser Feststellungsantrag könne nicht als notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gewertet werden. Im übrigen beurteilte die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers "aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Bescheides" als nicht begründet.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 1. März 1994, Zl. B 1632/92-6, die Behandlung der gegen den Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 14. September 1992 erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers diese Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluß vom 18. Mai 1994 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof brachte der Beschwerdeführer (in seiner Ergänzung der Beschwerde) vor, der angefochtene Bescheid verletze ihn in einfach gesetzlich gewährleisteten Rechten dahingehend, daß ihm jedes die Pflichten seines Berufsstandes nicht verletzende Verhalten zu setzen und durch die Qualität seiner anwaltlichen Leistungen zu werben sowie wahrheitsgemäße und nicht irreführende Angaben über seine Person und Tätigkeit zu machen und standesgemäße Werbung zu betreiben verwehrt werde.

Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Gegenschrift erstattet und darin beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die (ergänzte) Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt - seinen Ausführungen in der ergänzten Beschwerde zufolge - im wesentlichen die Auffassung, die belangte Behörde habe Bestimmungen der RL-BA 1977 (Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter) lediglich einer am Wortlaut orientierten Auslegung unterzogen und damit im Ergebnis unrichtig (bzw. nicht verfassungskonform) angewendet. Insoweit sein in erster Instanz einschränkend bewilligter Antrag zurückgewiesen wurde, habe die belangte Behörde die aufgrund seiner in der Vorstellung abgegebenen Anfechtungserklärung ihr eingeräumte Abänderungsermächtigung überschritten; die Zurückweisung seines Antrages sei ihr verwehrt gewesen.

Der angefochtene Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer erging in einer Angelegenheit der beruflichen Selbstverwaltung, die durch die Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 idgF, geregelt ist. Da in diesem Gesetz ein Rechtszug an staatliche Behörden nicht ausdrücklich eingeräumt wird, kann gegen den Bescheid des letztinstanzlichen Organes des Selbstverwaltungskörpers (vgl. § 26 und 28 Abs. 2 RAO idgF der Novelle 1973, BGBl. Nr. 570) infolge Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1987, Zl. 86/01/0193, in Slg. NF Nr. 12.428/A, mit weiteren Nachweisen).

Im dem Beschwerdefall zugrunde liegenden Verfahren waren die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) von den Behörden der Rechtsanwaltskammer nicht anzuwenden, weil die RAO - zumindest in dem vorliegend relevanten Bereich - eine Anwendung des AVG nicht vorschreibt und mithin die Bestimmung des Art. II Abs. 2 lit. B Z. 31 EGVG - wonach gesetzliche berufliche Vertretungen das AVG nicht anzuwenden haben - zum Tragen kommt. Demnach hatte die belangte Behörde - zumal eigene Verfahrensbestimmungen nicht erlassen wurden - in ihrem Verfahren hilfsweise die allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens anzuwenden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Dezember 1988, Zl. 88/01/0178, und vom 7. September 1990, Zl. 90/18/0049; AnwBl 1995/2, S. 128 E 4968 mit Anm. Strigel).

Um in größeren Rechtsanwaltskammern die Ausschußtätigkeit zu erleichtern, hat der Gesetzgeber der 7. Gerichtsentlastungsnovelle, BGBl. Nr. 6/1932, Abteilungen vorgesehen und damals unter anderem die folgende Regelung in die Bestimmung des § 26 RAO aufgenommen:

"Wer sich durch den Beschluß einer Abteilung beschwert erachtet, kann binnen 8 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung erheben, über die der Ausschuß entscheidet."

Wie den Materialien zur Novelle BGBl. Nr. 673/1976 (322 BlgNR, XIV. GP, S. 3) eindeutig entnommen werden kann, entspricht die nunmehr geltende und im Beschwerdefall anzuwendende Fassung des § 26 Abs. 5 RAO im wesentlichen unverändert der vorerwähnten Regelung der 7. Gerichtsentlastungsnovelle, wobei der Gesetzgeber der Novelle 1976 sich darauf beschränkte, die Frist zur Erhebung der Vorstellung "in Angleichung an die allgemeinen Rechtsmittelfristen" auf 14 Tage zu verlängern.

Die im § 26 Abs. 5 RAO gebrauchte Bezeichnung "Vorstellung" muß daher begrifflich dahin verstanden werden, daß diese erst nach Erlassung der Verwaltungsverfahrensgesetze (1925) in der Rechtsanwaltsordnung vorgesehene Rechtsschutzeinrichtung inhaltlich nicht im Sinne von Bestimmungen des AVG interpretiert werden kann, sondern daß der Gesetzgeber damit ein Rechtsmittel im allgemeinen Sinn gemeint hat. Danach ist die als rechtswidrig gerügte Ausübung der Entscheidungsbefugnis durch die belangte Behörde nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eines Rechtsmittelverfahrens zu beurteilen. Der Beschwerdeführer unterliegt dabei zunächst insoweit einem Irrtum, als die im vorliegenden Beschwerdefall zu verneinende Anwendbarkeit des AVG nicht den Umkehrschluß erlaubt, eine im Bereich dieses Verfahrensgesetzes zufolge § 66 Abs. 4 leg. cit. UNBESCHRÄNKTE Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde (vgl. dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht3, 99 ff) - die insbesondere auch die Ermächtigung einschließt, ein von der Unterinstanz als nicht gegeben erachtetes Hindernis für eine Sachentscheidung wahrzunehmen - sei in einem nach allgemeinen Grundsätzen abzuführenden Rechtsmittelverfahren anders als im AVG (wie etwa in der ZPO oder der StPO) demgegenüber beschränkt. In diesem Zusammenhang bleibt der Beschwerdeführer auch den Nachweis schuldig, aus welchen Normen sich die von ihm postulierte Beschränkung ergeben sollte.

Mit seiner Rüge, die Rechtsmittelinstanz habe die Grenzen ihrer Entscheidungsbefugnis verletzt, könnte der Beschwerdeführer nach allgemein anzuwendenden Grundsätzen nämlich nur dann erfolgreich sein, wenn die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung das Gebot zur Wahrung der Teilrechtskraft des unangefochtenen Entscheidungsteiles verkannt hätte; der Rechtskraft kommt nämlich ganz allgemein Bedeutung im Verwaltungsverfahren zu (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 59). Ein solcher Verstoß kann der belangten Behörde im vorliegenden Beschwerdefall aber nicht vorgeworfen werden, weil der angefochtene und der nicht angefochtene Entscheidungsteil dergestalt in einem untrennbaren Sachzusammenhang stehen, daß eine selbständige Erledigung (bzw. Teilerledigung) nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr handelte es sich bei der von der Berufungsbehöde insoweit zu entscheidenden "Sache" um einen einzigen Gegenstand, der nicht in mehrere selbständige Bescheide (Teilbescheide) hätte getrennt werden dürfen (vgl. dazu Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I, 406 f; Walter-Mayer, a.a.O., Rz 415).

Da die vorerwähnten Grundsätze (scheinbare Ausnahmen vom Verbot der Schlechterstellung eines Rechtsmittelwerbers bzw. dem Gebot der Wahrung der Teilrechtskraft) im Bereich der - im Vergleich zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen - älteren (nämlich 1895 erlassenen) Verfahrensregelung der ZPO gleichfalls zum Tragen kommen würden (vgl. dazu Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, IV, 30 ff und derselbe in Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechtes2, Rz 1747 und 1748), wäre für den Beschwerdeführer selbst dann noch nichts gewonnen, wenn man - ohne daß dafür freilich eine Grundlage besteht - Grundsätze des Rechtsmittelverfahrens im allgemeinen Zivilprozeß in die Überlegungen (vergleichend) einbeziehen würde. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die belangte Behörde - ohne ihre Entscheidungsbefugnis zu überschreiten bzw. den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit zu belasten - berechtigt und verpflichtet war, aus Anlaß des erhobenen Rechtsmittels die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Sachentscheidung zu prüfen.

Davon ausgehend hätte die belangte Behörde aber - entgegen der im angefochtenen Bescheid (implizit) zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht - die Zulässigkeit für die Erlassung von Feststellungsbescheiden nicht allein hinsichtlich des Antrages vom 24. Februar 1992, sondern ebenso auch hinsichtlich der übrigen Anträge - die gleichfalls auf Erlassung von Feststellungsbescheiden gerichtet sind - prüfen müssen.

Nach § 10 Abs. 2 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren.

Der § 1 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1990 BGBl. 474 über das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Disziplinarstatut 1990 - DSt 1990) hat folgenden Wortlaut:

"§ 1 (1) Ein Rechtsanwalt, der schuldhaft die Pflichten seines Berufes verletzt oder inner- oder außerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt, begeht ein Disziplinarvergehen.

§ 1 (2) Disziplinarvergehen sind vom Disziplinarrat zu behandeln.

§ 1 (3) Im übrigen obliegt die standesrechtliche Aufsicht dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer (§ 23 der Rechtsanwaltsordnung)."

Der österreichische Rechtsanwaltskammertag hat eine Satzung vom 8. Oktober 1977, betreffend Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977), erlassen, die in der Wiener Zeitung vom 14. Dezember 1977 verlautbart worden sind. Diese aufgrund des § 37 RAO erlassenen Richtlinien sind als Verordnung anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1987, Zl. 86/01/0193, Slg. NF Nr. 12.428/A).

Der § 45 und der § 49 der zitierten Richtlinien haben folgenden Wortlaut:

"§ 45 (1) Der Rechtsanwalt wirbt durch die Qualität seiner anwaltlichen Leistungen.

§ 45 (2) Der Rechtsanwalt darf, soferne er sich auf das sachlich Gebotene beschränkt, wahrheitsgemäße und nicht irreführende Angaben über seine Person oder Tätigkeit machen und dabei benennen

a) akademische Titel und Titel, die mit der anwaltlichen Berufsausübung im Zusammenhang stehen,

b)

Sprachkenntnisse,

c)

neben dem Rechtsanwaltsberuf zulässigerweise ausgeübte weitere Berufe, die akademische Ausbildung erfordern, soweit diese Tätigkeiten in sachlichem Zusammenhang mit der Ausübung eines rechtsberatenden Berufes stehen,

d)

Fachpublikationen,

e)

Mitgliedschaften in Fachverbänden, die mit der Berufsausübung im Zusammenhang stehen, nicht jedoch Funktionen als Organe oder Mitglieder von Körperschaften öffentlichen Rechts und nicht-anwaltlichen Fach- und Berufsverbänden,

f)

beruflichen Werdegang,

g)

Rechtsgebiete, auf denen der Rechtsanwalt vornehmlich tätig ist oder nicht tätig sein will.

§ 45 (3) Hingegen hat der Rechtsanwalt standeswidrige Werbung zu unterlassen; diese liegt insbesondere vor bei

              a)              Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen seiner Person oder seiner Leistungen,

b)

vergleichende Bezugnahme auf Standesangehörige,

c)

Anbieten beruflicher Leistungen gegenüber bestimmten Auftraggebern,

              d)              Erwecken objektiv unrichtiger Erwartungen, Anbieten unzulässiger Honorarvorteile oder Nennung von Auftraggebern.

§ 49. Nach § 45 zulässige Angaben dürfen vermittelt werden durch nicht aufdringlich zu gestaltende

1.

Publikationen in Anwaltsverzeichnissen,

2.

Informationsschriften über die Anwaltskanzlei, welche jedoch nicht öffentlich gestreut werden dürfen,

              3.              Inserate und Rundschreibungen ausschließlich aus folgenden Anlässen:

a)

Eröffnung und Schließung der Praxis,

b)

Änderung der Adresse, der Telefon-, Telex- und Telefax-Nummern,

c)

Änderung von Personennamen,

d)

Änderung in der Zusammensetzung oder Bezeichnung von Partnerschaften,

              e)              Wiederaufnahme der Berufsausübung nach Unterbrechung.

              4.              Auf Praxisschildern dürfen nur der Name und der ausgeübte Beruf sowie Angaben nach § 45 (2) lit a) und lit b) angebracht werden."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die Erlassung von Feststellungsbescheiden sind die Verwaltungsbehörden nur dann befugt, Feststellungsbescheide im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zu erlassen, wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung oder ein im privaten oder öffentlichen Interesse begründeter Anlaß vorliegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. November 1992, Slg. NF 13.732/A, und das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1989, Slg. NF Nr. 12.856/A, mit weiterführenden Literatur- und Judikaturnachweisen).

Keiner der von der Behörde angewendeten Normen ist aber zu entnehmen, daß eine gesonderte Feststellung darüber, ob eine von einem Rechtsanwalt beabsichtigte künftige Werbemaßnahme zulässig ist oder aber eine Berufspflichtenverletzung darstellen würde, angeordnet wurde. Ein öffentliches Interesse an dem im Beschwerdefall begehrten Feststellungen besteht offenkundig ebenfalls nicht. Ein solches hat der Beschwerdeführer auch nicht darzutun versucht.

Sein Interesse an den begehrten bescheidmäßigen Feststellungen hat der Beschwerdeführer in seinen Anträgen (im wesentlichen gleichlautend) vielmehr allein damit begründet, daß es für ihn unzumutbar wäre, sich auf risikobehaftete Aufwendungen einzulassen und sich durch gegen den Wortlaut der Richtlinien verstoßende Maßnahmen der Gefahr eines Disziplinarverfahrens oder einer (zivilrechtlichen) Wettbewerbsklage auszusetzen.

Damit ist aber schon nach seinem eigenen Vorbringen das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an einer Feststellung im Sinne seiner Anträge zu verneinen. Ein solches Interesse besteht nämlich dann nicht, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, zu dem auch ein Disziplinarverfahren gehört, oder eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden ist. Ein rechtliches Interesse der Partei ist nur dann zu bejahen, wenn der Feststellungsantrag im konkreten Fall als geeignetes Mittel zur Beseitigung der Rechtsgefährdung angesehen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1991, Slg. NF Nr. 13.513/A).

Sämtliche mit dem Hindernis des fehlenden Feststellungsinteresses belasteten Feststellungsanträge des Beschwerdeführers wären daher von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen. Insoweit die belangte Behörde demgegenüber mit Abweisung der Anträge des Beschwerdeführers vorgegangen ist, konnte er nicht in seinen Rechten verletzt werden (vgl. n.v.a. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1981, Zl. 08/2864/79, vom 16. Oktober 1986, Zl. 82/08/0079, und vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0012, sowie die in allen diesen Erkenntnissen angegebene Vorjudikatur). Die sich somit zur Gänze als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2InstanzenzugInstanzenzug Zuständigkeit Besondere RechtsgebieteMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideOrganisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Allgemein VwRallg10/1Organisationsrecht Körperschaften des öffentlichen Rechtes Selbstverwaltung VwRallg5/2Behördenorganisation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191110.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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