§ 76b StVO - Zufahrt nur für Anrainer ?

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fagert
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§ 76b StVO - Zufahrt nur für Anrainer ?

Beitrag von fagert » 27.03.2014, 16:11

Diskussionsbeitrag in Anlehnung an einen im "derStandard" vom 3. Juli 2013 erschienenen Artikel "30 Jahre Wohnstraße" 30 Jahre Wohnstraße - Zufahrt nur zweckorientiert zu anrainenden Liegenschaften erlaubt? Problem: Trotz des Bestehens der Wohnstraße seit nunmehr mehr als 30 Jahren gibt es im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung m.E. immer noch eine Reihe von Problemen. So hält sich nahezu niemand beim Befahren der Wohnstraße an die an sich vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit. Fehlende Parkplätze führen dazu, dass das Verkehrsaufkommen in zentral gelegenen Wohnstraßen durch x-beliebige Verkehrsteilnehmer, deren einziger Zweck für das Befahren der Wohnstraße in der Parkplatzsuche zu sehen ist, sich in nichts von anderen ebenfalls zentral gelegenen und stark befahrenen Straßen ohne Wohnstraßenstatus unterscheidet, in denen Parkplätze gesucht aber auch immer wieder nicht gefunden werden. Nachfolgend wird zu ergründen versucht, was der Gesetzgeber mit dem erlaubten Befahren einer Wohnstraße zum Zwecke des Zu- und Abfahrens gemeint haben könnte, insbesondere aber, ob damit nur das zweckorientierte Zufahren zu anrainenden Liegenschaften oder auch generell, ohne Einschränkung, auch das Befahren zum Zwecke des Parkens in einer Wohnstraße gemeint sein könnte. Zur Gesetzeslage: In § 76 b Abs. 1 zweiter Satz StVO wird einleitend und damit an erster Stelle normiert, dass in einer Wohnstraße der Fahrzeugverkehr verboten ist; ausgenommen davon sind der Fahrradverkehr, das Befahren mit Fahrzeugen des Straßendienstes, der Müllabfuhr, des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Feuerwehr in Ausübung des Dienstes sowie das Befahren zum Zwecke des Zu- und Abfahrens. In § 23 Abs. 2a wird normiert, dass in Wohnstraßen und Begegnungszonen das Parken von Kraftfahrzeugen nur an den dafür gekennzeichneten Stellen erlaubt ist. Zur Rechtsmeinung von Behörden: Behördlicherseits (z.B. Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, diesem mit Ergänzung folgend auch von der LPD Wien) wird § 76 b StVO so interpretiert, dass nur das Durchfahren einer Wohnstraße nicht erlaubt sei, sehr wohl aber das Befahren - offensichtlich ohne Einschränkung - um zu einem Parkplatz zu gelangen als erlaubtes Zu- und Abfahren zu qualifizieren sei. Die Rechtsmeinung des BMVIT ( Dez . 2013 auszugsweise: „grundsätzlich lässt sich auf jeden Fall sagen, dass das Befahren einer Wohnstraße, um dort zu einem Parkplatz zu gelangen, als erlaubtes Zu-und Abfahren zu qualifizieren ist. Streng rechtlich müsste man aber dann zwei Fälle unterscheiden: man findet einen Parkplatz oder nicht. Wenn man in der Wohnstraße dann tatsächlich parkt, ist sozusagen alles gut, findet man keinen Parkplatz, fährt man ja eigentlich nur, und das wohl unerlaubt, durch") erscheint auch nicht wirklich hilfreich. Auch ein ergänzender Satz in der Stellungnahme der LPD Wien (Jänner 2014 :"Die Wohnstraße darf daher nicht als Abkürzung oder zum bloßen Durchfahren benützt werden") gibt Anlass zu Fragen. Ist mit "Abkürzung" ein Abstellen eines Fahrzeuges in einer Wohnstraße gemeint, um z.B. über eine in diese Wohnstraße einmündende Straße rascher zu Fuß zu einem Ziel zu gelangen, oder ist damit nur ein Beispiel für nicht erlaubtes Durchfahren gemeint? Der Interpretation der genannten Behörden seien nun folgende Überlegungen gegenübergestellt: Folgt man der klaren Auslegungsregelung des § 6 ABGB -" Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet" - so kann § 76 b der StVO m.E. teleologisch (... klare Absicht des Gesetzgebers...) wohl nur so interpretiert werden, dass der Gesetzgeber mit der Wohnstraße eine möglichst wenig befahrene Straße als verkehrsberuhigte Zone (Spielstraße) schaffen wollte, für die der Kreis derjenigen, die eine Wohnstraße befahren dürfen, stark eingeschränkt werden sollte. Der "Duden online" definiert den Begriff "Zufahrt" als Möglichkeit des Fahrens bis zu einem bestimmten Ziel bzw. als Fahrweg, auf dem man mit einem Fahrzeug zu einem bestimmten Ort gelangt. Eine Parkplatzsuche durch x-beliebige Kraftfahrer - wie sie in Wohnstraßen laufend vorkommt - impliziert m.E. von vornherein ein unbestimmtes Ziel bzw. einen unbestimmten Platz und auch nur abwechselnd zur Verfügung stehende Parkplätze können nur allgemeine und damit unbestimmte Ziele bzw. unbestimmte Plätze sein. Diese Parkplatz suchenden Kraftfahrer müssten daher m.E. – wenn ihr Ziel keine anrainende Liegenschaft oder ein anrainendes Gebäude ist - als Verkehrsteilnehmer, die eine Wohnstraße, vergleichbar wie Dienstfahrzeuge, nur befahren, eingestuft werden. Für die jedoch, im Gegensatz zu jenen, die eine Wohnstraße nur in Ausübung ihres Dienstes befahren dürfen, keine Ausnahme vom einleitend allgemein verfügten Fahrverbot vorgesehen ist. Somit bleiben als eindeutig zu bestimmende Ziele bzw. Orte m.E. nur anrainende bebaute oder unbebaute Liegenschaften übrig, für die der Gesetzgeber die dritte Ausnahmeregelung des erlaubten Zu- und Abfahrens schaffen musste, ansonsten ja auf Grund des einleitend verfügten allgemeinen Fahrverbotes auch die Zufahrt zu den anrainenden Liegenschaften bzw. die Abfahrt von diesen verboten wäre ! Folgt man der Rechtsmeinung der Behörde, so wäre auch folgendes Szenario denkbar: In der zweiten Ausnahmebestimmung ist, wie bereits angeführt, u.a. die Erlaubnis für das Befahren mit Fahrzeugen des Straßendienstes nur in Ausübung ihres Dienstes normiert. Was nun, wenn z.B. ein in der Nähe der Wohnstraße wohnhafter Bediensteter des Straßendienstes nach Dienstende in die Wohnstraße einfährt und dort bis zum Dienstbeginn am folgenden Tag das Fahrzeug des Straßendienstes dort auf einem gekennzeichnete Platz abstellt. Da in diesem Fall kein Dienst ausgeübt wird, wäre dies wohl als klarer Verstoß gegen Par. 76b StVo zu werten! Sollte dies aber z.B. von einer Behörde als Verstoß gewertet werden, ergäbe sich die paradoxe Situation, dass jeder x-beliebige andere Verkehrsteilnehmer der nicht unter die zweite Ausnahmebestimmung fällt und in die Wohnstraße einfährt und dort nur zum Zwecke des Parkens sein Fahrzeug abstellt, nach Meinung der Behörde wegen der "erlaubten Zu- und Abfahrt" nicht gegen die StVo verstoßen würde. Dies hätte wohl eine Verletzung des verfassungsrechtlich normierten Gleichheitsgrundsatzes zur Folge. Und sollte die Behörde der Meinung sein, dass diesfalls doch die dritte Ausnahmebestimmung, nämlich die generelle Erlaubnis für das Befahren zum Zwecke des Zufahrens - um an den dafür gekennzeichneten Stellen der Wohnstraße zu parken - zum Tragen kommen müsste, stellt sich die Frage, wozu vom Gesetzgeber dann überhaupt einleitend ein allgemeines Fahrverbot sowie die klare und stark einschränkende Ausnahmebestimmung " .. in Ausübung ihres Dienstes.." normiert wurden. Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der dritten Ausnahmebestimmung des erlaubten Zufahrens die vorangehenden Bestimmungen - allgemeines Fahrverbot, Befahren in Ausübung des Dienstes - zugunsten x-beliebiger nur Parkplatzsuchenden wieder aufheben wollte. Schließlich wäre noch zu hinterfragen, ob auch in einer Wohnstraße die zugleich eine Sackgasse ist, bei der ein "Durchfahren" im sprachlichen Sinne gar nicht möglich ist, ein Umkehren und Abfahren aus der Wohnstraße durch einen Verkehrsteilnehmer, der nur einen Parkplatz sucht, aber keinen findet, ebenfalls einen Verstoß gegen § 76b StVO zur Folge hätte. Aus § 23 Abs 2a StVO (Parken in Wohnstraßen nur auf gekennzeichneten Flächen) kann im Übrigen m.E. auch nicht abgeleitet werden, dass unter Berufung auf diese Regelung jeder x-beliebige Verkehrsteilnehmer berechtigt sein soll, in eine Wohnstraße nur für Zwecke des Parkens "zuzufahren". Vielmehr bedarf es ja auch in einer Wohnstraße einer Regelung, um ungeordnetes Abstellen von Fahrzeugen Zufahrtsberechtigter zu vermeiden. Fazit: Derzeit gibt es meines Wissens nur eine UVS-Entscheidung aus dem Jahre 2000 in der die dritte Ausnahmebestimmung des § 76 b des erlaubten Zu- oder Abfahrens erläutert wird (UVS Steiermark, GZ 30.16-30/2000 - "nach Ansicht der erkennenden Behörde ist jedwedes zweckorientierte Zu- oder Abfahren zu einer anrainenden Liegenschaft bzw. zu einem anrainenden Gebäude erlaubt "). Meines Erachtens hat diese Behörde die Zu- und Abfahrtsregelung nach § 76b StVo und damit auch die Absicht des Gesetzgebers insofern richtig interpretiert, als das Befahren einer Wohnstraße zum Zwecke des Zu- oder Abfahrens nur zu oder von einer anrainenden Liegenschaft bzw. einem anrainenden Gebäude erlaubt ist. Das Befahren einer Wohnstraße ausschließlich zum Zwecke des Parkens würde demzufolge einen klaren Verstoß gegenüber § 76 b StVo darstellen. Es hat aber leider den Anschein, als ob die Interpretation der Ausnahmeregelung des erlaubten Zu- und Abfahrens in eine Wohnstraße bzw. von einer Wohnstraße nach § 76b StVo einer möglicherweise sogar höchstrichterlichen Klärung bedarf, damit die vom Gesetzgeber m.E. gewollte Verkehrsberuhigung und damit auch die Nutzung als Spielstraße in einer Zeit, in der Kindern immer weniger Freiräume zur Verfügung stehen, mehr als 30 Jahre nach Schaffung der Wohnstraße Wirklichkeit wird und Paradoxa, juristische Verrenkungen und vage Formulierungen - wie oben am Beispiel eines Fahrzeuges des Straßendienstes und der Rechtsmeinungen des BMVIT und LPD Wien aufgezeigt - kein Thema mehr sind. Ganz abgesehen davon wäre eine verkehrsberuhigte Wohnstraße auch für Senioren eine Wohltat, da eine Gefährdung durch ständig Parkplatz suchende Verkehrsteilnehmer, die immer wieder mit weit überhöhter Geschwindigkeit die Wohnstraße befahren, wegfallen würde.



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RE: § 76b StVO - Zufahrt nur für Anrainer ?

Beitrag von lexlegis » 27.03.2014, 16:24

Wenn Sie das etwas besser gliedern macht sich vielleicht jemand die Mühe das zu lesen.

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