Frage zu: § 16 ABGB

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Hank
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Frage zu: § 16 ABGB

Beitrag von Hank » 06.02.2012, 13:58


§ 16  ist zusammen mit § 17  die "Zentralnorm" der Österreichischen Rechtsordnung und eine "Einflugschneise der Grundrechte", die individuelle Selbstverwirklichung, selbst in absurd anmutenden Formen, auch im an sich obrigkeitsstaatlich geprägten Österreich zulässt, fast wie in Amerika.


§ 16 appelliert kurz & bündig an die "einleuchtende Vernunft" und "angebornen Rechte", wie sie in der Zeit der Aufklärung, in der das ABGB entstand, von den großen europäischen Denkern aller Nationen als universelle Geisteshaltung geprägt worden sind: Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit.


Was ein Mensch ist, leuchtet seit diesem ersten Höhepunkt des europäischen Humanismus an sich nunmehr jedermann ein, aber man kann sich auch gegen dieses "Einleuchten" verschließen:


"Manche verlangen aus Mangel an Bildung, man solle auch dieses Einleuchtende beweisen; denn Mangel an Bildung ist es, wenn man nicht weiß, wofür ein Beweis zu suchen ist und wofür nicht." (Aristoteles, metaph. 4.3 und 4.4)


In der heutigen Zeit immer weiter fortschreitender Individualisierung, vor allem auch durch die Technik, nimmt die Bedeutung der Personenrechte "aus dem Charakter der Persönlichkeit" immer mehr zu.


Denn der Einzelne ist nicht mehr so sehr durch den Staat und seinen Organen, sondern vielmehr von privaten Mächten wie Parteien oder Multis in seiner Freiheit bedroht: Der Mensch steht im Mittelpunkt des Betriebes, aber da steht er allen im Weg.


"Das höchste Glück der Erdenkinder sei nur die Persönlichkeit" (Goethe) - das Wort "Persönlichkeit" kommt - bezeichnenderweise für das ganze österreichische Bildungssystem - allerdings außer in der Überschrift zu § 16  im ABGB nicht mehr ausdrücklich vor:


"Person" und "Persönlichkeit" verhalten sich dabei in etwa wie "Individualismus" und "Individualität": Die wirkliche "Persönlichkeit" bastelt sich nicht aus den vielfältigen Lifestyle-Angeboten der Medienindustrie ein bequemes Ego-Image zusammen, sondern bringt mit konsistenten Werten, Ansichten und Methoden allgemeinen und individuellen Nutzen in Einklang.


Wenn der Sinn des Lebens die "Menschwerdung des Menschen" ist, dann erlaubt einem der § 16, sich zu einer mündigen, selbstverantwortlichen Persönlichkeit durchaus auch im Sinne von Kants "Kategorischem Imperativ" zu entwickeln.


Freiheit und Individualität sind daher nicht bloß Geschenke des Schicksals oder eines edlen Gesetzgebers, sondern wollen von jedem Einzelnen jedes Mal aufs Neue erkämpft und erarbeitet werden. 




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